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vornehmlich von den Ehefrauen und erwachsenen Töchtern, eine ganze Reihe einem Nebenerwerb nachgehen. So wurden für das weibliche Geschlecht 3,4 Millionen Nebenberufsfälle (45% der Gesamtzahl) festgestellt. An diesen sind die Angehörigen und Selbständigen ohne Hauptberuf und die Dienstboten mit mehr als 4/5 (2,9 Millionen), die Erwerbstätigen mit Hauptberuf nur mit rund 500 000 beteiligt. Dabei sind diese Zahlen Mindestzahlen, da einer vollkommenen Erfassung des Nebenerwerbs erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen.

Indessen reichen die erwähnten berufsstatistischen Daten bei weitem nicht hin, um die Bedeutung der Frau für unser heutiges Erwerbsleben gebührend darzutun. Es kommen noch eine Reihe von wichtigen unmessbaren Qualitäten in Betracht, die die Frau für unser Erwerbsleben hat, Imponderabilien, die sich nicht zur Ziffer bringen lassen. Ich meine den indirekten Einfluss, den die Frau auf unser Erwerbsleben übt, der – obschon nur mittelbar – gar nicht hoch genug zu bewerten ist.

Vor allem gehört hierher, was die Frau unserem Erwerbsleben ist, in ihrer Eigenschaft als Hausfrau, in ihrem rein hauswirtschaftlichen Beruf. Über die Wichtigkeit einer guten Haushälterin und Verwalterin für die Sicherung der Früchte des Erwerbs ist hier kein Wort zu verlieren, „sie mehrt den Gewinn mit ordnendem Sinn.“ Eine Aufgabe, die keineswegs einfach; nicht selten ist Erwerben leichter als Erhalten. Erfahrungsgemäss führt aller Erwerb auf keinen grünen Zweig, wenn die Frau jener Aufgabe nicht gerecht wird.

In engem Zusammenhang damit steht der hohe Beruf der Frau als Gattin, ihr Beruf, durch ein geordnetes, lebens- und liebevolles Heim dem Mann den Kampf ums Dasein zu erleichtern, ihm als treuer Kamerad in guten und in bösen Tagen beizustehen, ihn durch Rat und Ermunterung in seinen wirtschaftlichen Plänen zu bestärken und zu edler Tat zu begeistern. Die Frau soll die Seele des Familienlebens sein, welches Kraftzentralen für das Wirken des Mannes wie für die spätere Tätigkeit der Kinder schafft. Sie hat den geistig-sittlichen Besitzstand der Familiengemeinschaft zu pflegen, die durch moralische Lebensführung, Pflichtgefühl, Einfachheit, Sparsamkeit und Ordnung vorbildlich wirken und den Kindern Güter übermitteln soll, die wertvoller sind als Geld und Besitz. Dieser weibliche Beruf ist bei den heutigen hohen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Mannes, nicht minder bei der Richtung unserer Sozialgesetzgebung, die dem Arbeiter immer mehr Zeit für die Familie schafft, wichtiger geworden als je zuvor und stellt bei der grossen Vertiefung und Verfeinerung, die er gegen früher erfahren, an die Frau besondere Ansprüche in Bezug auf ihre Lebenstüchtigkeit.

Gleich hochbedeutsam vom Standpunkt unseres Erwerbslebens, ja geradezu Voraussetzung für die heimische Volkswirtschaft, für den Gesamtbestand des Staates, ist der Mutterberuf der Frau, die Frau als Mutter und Erzieherin der Erwerbstätigen. Was die Frau in dieser Eigenschaft dem Lande leistet, stellt Deutschland unter die Staaten mit hoher Geburtenhäufigkeit. Damit der Effekt dieser Geburtstätigkeit noch mehr als bisher unserer Erwerbskraft zugute kommt, müssen die neuzeitlichen Bestrebungen zur Bekämpfung unserer relativ grossen Säuglingssterblichkeit energisch gefördert werden, nämlich die Bestrebungen, die sowohl eine bessere Pflege der werdenden Mutter wie eine rationellere Ernährung und Behandlung der Säuglinge herbeizuführen suchen, und ferner die Bestrebungen, die auf eine gehörige körperliche Entwicklung des heranwachsenden weiblichen Geschlechts, unserer künftigen Mütter, Bedacht nehmen. Denn nur bei entsprechender körperlicher Tüchtigkeit und bei richtiger Kenntnis von den Pflichten der werdenden Mutter und den Aufgaben in bezug auf Säuglingsbehandlung ist die Freude am Mutterberuf denkbar. Und diese unserem weiblichen Geschlechte zu erhalten, erscheint in Anbetracht des auch in Deutschland wahrzunehmenden Rückgangs der Geburtenziffer doppelt geboten: nur Völker mit leistungsfähigen Müttern setzen sich durch.

Auch was die Frau als praktische Hygienikerin in der Familie leistet, verdient hier Hervorhebung. Es obliegt ihr die Herstellung der Mahlzeiten, die Ernährungsweise der Haushaltsmitglieder, die Reinlichkeit des Hauses, die krankheitvorbeugende Hygiene sowie die Pflege im Fall der Erkrankung des Mannes oder der Kinder, – alles Arbeiten, von deren geschickter und gewissenhafter Erfüllung das Gedeihen und das Glück der Familie ganz wesentlich mit abhängt. Indem sie im

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/227&oldid=- (Version vom 22.9.2021)