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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Unterhalts zum Miterwerb genötigt sind. Die Männer wenden sich dabei den neuen von der Technik erschlossenen und lohnenderen Arbeitsgebieten zu, während die Frauen, im allgemeinen wenigstens, die von den Männern verlassenen Arbeitsstellen (in der Landwirtschaft) und die von Natur ans ihnen mehr als den Männern gelegenen Arbeitsverrichtungen übernehmen. Dieser Einzug der Frauen ins Erwerbsleben wird begünstigt einerseits durch die immer weitere Absplitterung der Hauswirtschaft, durch die Familienwirtschaft im Bauernbetrieb und im gewerblichen Kleinbetrieb (die etwa 9/10 aller Familienangehörigen beschäftigen), anderseits durch die Schwierigkeit der Arbeiterverhältnisse in der Landwirtschaft sowohl wie in der Industrie und durch das Vordringen der Arbeitsmaschinen, welche so manche gewerbliche Arbeit im Mittel- und Grossbetrieb gegen früher vereinfachen und so die Frau daselbst festen Fuss fassen lassen.

Was den näheren Charakter des Frauenerwerbs betrifft, so finden sich von 9,5 Millionen Erwerbstätigen 1,2 Millionen in selbständiger Stellung, sie haben als solche einen landwirtschaftlichen Betrieb, ein Gewerbe oder ein Geschäft, sind Erzieherinnen, Hebammen, Schauspielerinnen, Musikerinnen, Künstlerinnen, Lehrerinnen. Soweit sie der Landwirtschaft, der Industrie und dem Handel angehören, handelt es sich bei vielen weniger um die Ausübung eines Berufes als um die Verwaltung eines übernommenen Besitzes seitens der Witwe.

4,4 Millionen von den erwerbstätigen Frauen verrichten Dienste in engster Beziehung zur Familie. Es sind dies 3,2 Millionen Frauen und Töchter, die im Betrieb des Haushaltungsvorstandes mithelfen (⅓ der Gesamtzahl der weiblichen Erwerbstätigen!), ferner 1,2 Millionen Dienstboten, deren Arbeit, wenn auch nicht in der eigenen Familie, so doch anderweitig innerhalb der Familie sich vollzieht.

Die verbleibenden 3,9 Millionen Frauen und Mädchen sind – abgesehen von 192 619 als Rechnerinnen, Buchhalterinnen, Kassiererinnen, Diakonissinnen tätigen – gewöhnliche Arbeiterinnen und zwar über die Hälfte ungelernt. Von den 3,9 Millionen lässt sich sagen, dass sie bei ihrem Erwerb dem Haus und der Familie entzogen sind.

Nach Berufen gegliedert, haben die meisten weiblichen Personen in der Landwirtschaft ihren Erwerb (fast die Hälfte der Gesamtzahl: 4,6 Millionen). 2,1 Millionen arbeiten in der Industrie und 900 000 im Handel und Verkehr. Als Hauptgebiete (mit mehr als 100 000 weiblichen Erwerbstätigen) weiblicher Erwerbstätigkeit sind zu nennen:

Bekleidungsgewerbe mit zusammen 2,5 Millionen weiblichen Erwerbstätigen = 84% aller weiblichen Erwerbstätigen von Gewerbe. Handel und Verkehr.
Handelsgewerbe
Textilindustrie

Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe

Nahrungs- und Genussmittelgewerbe
Reinigungsgewerbe

Am geringsten ist der Anteil der weiblichen Erwerbstätigen in den Berufsgruppen:

Maschinenbau mit nur 1 bis 5 weiblichen von 100 Erwerbstätigen überhaupt.
Verkehrsgewerbe
Bergbau
Baugewerbe

1,2 Millionen sind häusliche Dienstboten, 320 000 sind Aufwartefrauen und Lohnarbeiterinnen wechselnder Art. Die übrigen 290 000 gehören mit ihrem Beruf zu Gesundheitspflege, zu Kunst, Theater, Lehrberufen usw.

Mehr noch als für die Charakterisierung der Erwerbstätigkeit der Bevölkerung im allgemeinen ist für die Darstellung des Frauenerwerbs erforderlich, dass auch der Nebenerwerb berücksichtigt wird. Nicht als ob die Frauen, die einen Hauptberuf haben, häufig noch nebenher tätig wären. Dies ist nur selten der Fall, wenn man von der hauswirtschaftlichen Tätigkeit absieht, die fast jede Frau und Haustochter in Anspruch nimmt. Zu weiterer Nebenarbeit fehlt es aber den hauptberuflich tätigen Frauen an Zeit, Kraft, Bedürfnis und Selbständigkeit. Das Wichtige liegt vielmehr darin, dass von den Angehörigen, die in erster Linie in der Haushaltung sich beteiligen, also

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/226&oldid=- (Version vom 22.9.2021)