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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Israeliten kommen meistens vor im Handels-, Nahrungsmittel-, Bekleidungsgewerbe und in den freien Berufen. Im übrigen bestätigt die Statistik, dass die Evangelischen und Juden besonders in Berufszweigen, die akademische. Bildung voraussetzen, stärker vertreten sind als die Katholiken.

V. Änderungen im beruflichen Aufbau des Volkes.

Die eben geschilderte Entwicklung der Bevölkerung, ihre grosse Zunahme, die erhöhte Lebenskraft auch in den produktiven Altersklassen, der Zug in die Stadt und nach dem Westen zu besseren Futterplätzen und Futtergegenden steht in Wechselverbindung mit unserem kapitalistischen Zeitalter, mit dem Zeitalter der Arbeit, mit dem Zeitalter der Maschine, mit dem Zeitalter des Dampfes und der Elektrizität, mit dem Zeitalter des Verkehrs. Dieses Zeitalter hat uns eine quantitative und qualitative Steigerung der Erwerbstätigkeit, eine wirtschaftliche und soziale Umschichtung des Aufbaus unserer Bevölkerung, eine erhöhte Intensität des gesellschaftlichen Lebens gebracht.

Was die Erwerbstätigkeit im allgemeinen anlangt, so wurden bei der Berufszählung 1907 von 61,7 Millionen Reichsbevölkerung 28 Millionen oder 45,51% ermittelt, die die eigentliche Arbeitskraft des Volkes repräsentieren. Und zwar schaffen 26,8 Millionen oder 43,46% unmittelbar für die Volkswirtschaft, 1,3 Millionen oder 2,05% als Hausgesinde.

Für das männliche Geschlecht beträgt die Erwerbsziffer 61,06%, für das weibliche Geschlecht, in dem die zahlreichen, nur in der Haushaltung tätigen Ehefrauen und Töchter hier ausser Betracht bleiben, 30,37%.

Im wesentlichen ist es die Bevölkerung im Alter von 14–60 Jahren, auf der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Reiches beruht. Rund 9/10 der Männer dieses Alters üben eine Erwerbstätigkeit aus. Das weibliche Geschlecht ist in erheblicherem Masse nur bis zum 30. Jahr erwerbstätig (55% aller erwerbenden Frauen stehen im Alter von unter 30 Jahren); späterhin wird seine Tätigkeit mehr durch die Aufgaben der Ehefrauen in Anspruch genommen, die aber als solche – da nach aussen nicht hervortretend – von der Berufsstatistik nicht registriert wird.

Den übrigen Teil der Bevölkerung bilden 30,2 Millionen nichterwerbstätige Familienangehörige (48,97%), worunter neben den ebengenannten, mit der Besorgung des Hauswesens befassten Hausfrauen, die noch nicht und die nicht mehr erwerbstätigen Haushaltungsmitglieder inbegriffen sind.

Ferner sind zu nennen 3,4 Millionen (5,52%) sogenannte berufslose Personen – eine Sammelgruppe, die sich aus Rentnern, Pensionären, auch Armenunterstützten, Anstaltsinsassen und solchen, deren Beruf nicht feststellbar ist, zusammensetzt; diese Berufsgruppe umfasst Volksteile aus allen anderen Berufsstellungen, die ihnen aber nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr, nicht, oder noch nicht zugerechnet werden können.

In den letzten 25 Jahren hat die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung von 41,92% auf 45,51% der Gesamtbevölkerung sich erhöht. An der Mehrung sind beide Geschlechter beteiligt, und zwar stieg die Erwerbsziffer des männlichen Geschlechts von 60,57 auf 61,06%, die des weiblichen Geschlechts von 24,02 auf 30,37%.

Doch hat in dem Mass, wie es die Berufsstatistik zeigt, die weibliche Erwerbstätigkeit kaum zugenommen. Bei den einschlägigen Zahlen dieser Statistik handelt es sich zweifellos zum grössten Teil um Verschiebungen formaler Art, die nur auf schärferer Erfassung der Mithilfe von solchen Familienangehörigen beruhen, die früher in der Gruppe der (nichterwerbstätigen) Familienangehörigen gezählt wurden, jetzt dagegen in der Gruppe der Erwerbstätigen erscheinen. Dieserhalb zeigt sich auch bei der Gruppe der nichterwerbstätigen Familienangehörigen ein Rückgang, der ebenfalls zum Teil lediglich formaler Natur ist. Immerhin wird tatsächlich – entsprechend der immer grösseren Einengung des Tätigkeitsbereiches der Familie und dem gesteigerten wirtschaftlichen Druck im allgemeinen – ein grosser Teil der Familienangehörigen jetzt ausserhalb der Familienwirtschaft mithelfen und früher als ehedem dem eigenen Erwerb nachgehen. In der Landwirtschaft

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/209&oldid=- (Version vom 19.9.2021)