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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Was die in Grossstädten Geborenen anlangt, so bekunden sie eine bedeutende Sesshaftigkeit. Von der 5,4 Millionen zählenden Grossstadt-Geburtsbevölkerung im Jahre 1900 sind ¾, nämlich 4 Millionen in ihrer Geburtsstadt verblieben, nur 1,4 Millionen nach auswärts gewandert. Beispielsweise fanden sich damals im ganzen Reich 1 Million geborene Berliner; davon waren 772 784 der Reichsresidenz treu geblieben, nur 275 370 hatten ihren Aufenthaltsort ausserhalb ihrer Geburtsstadt und da vielfach unmittelbar vor den Toren Berlins.

Innerhalb des Weichbildes der Grossstädte gehen allerdings bemerkenswerte Verschiebungen vor. Die inneren Stadtteile der eigentlichen City erfahren fortgesetzt eine Verringerung ihrer Wohnbevölkerung, die äusseren Stadtteile (die Peripherie des Grossstadtkerns und der Aussenring) eine um so namhaftere Vermehrung. Es vollzieht sich eine Art Aushöhlung der Grossstädte in bezug auf die Wohnbevölkerung der inneren Teile zugunsten der Umwandlung dieser zentral gelegenen Stadtteile in Amts-, Geschäfts-, Vergnügungsviertel. Soweit sich die dabei stetig wachsende Einwohnerschaft über die Grossstadtgrenze hinausbegibt und in den Vororten niederlässt, ist mit den wirtschaftlichen Verschiebungen zugleich eine Verschiebung der Steuerkraft, ein Verlust an steuerkräftigen Elementen für die Grossstadt verbunden; daher haben auch die Eingemeindungsfragen, die Gründung von Zweckverbänden, Interessengemeinschaften eine so hervorragende Aktualität für unsere Grossstädte. Die genannte Entwicklung stellte sich beispielsweise für Berlin, Hamburg und München folgendermassen:

Jahr Gemarkungs-
fläche
ha
Einwohnerzahl
(nach dem jeweiligen
Gebietsstand
am Zählungstag)
Einwohnerzahl
auf der
Gemarkungsfläche
vom
1. Dezember 1871
Einwohnerzahl
des Stadtkerns[1]
(City)
Einwohnerzahl
der Agglomeration
im Umkreis von
10 km
Berlin.
1871 5 923 825 937 825 937 154 662 886 574
1880 6 061 1 122 330 1 119 360 134 826 1 250 615
1890 6 338 1 578 794 1 570 471 126 126 1 854 494
1900 6 333 1 888 848 1 865 121 101 102 2 534 021
1905 6 349 2 040 148 1 998 249 92 983 2 876 768
1910 6 352 2 071 257 2 010 703 73 730 3 417 678
Hamburg.
1871 6 344 300 504 300 504 156 722 435 096
1880 6 344 410 127 410 127 170 875 583 492
1890 6 344 569 260 569 260 160 403 803 884
1900 7 690 705 738 700 671 139 221 986 411
1905 7 700 802 793 795 521 127 757 1 112 783
1910 7 793 931 035 923 554 102 069 1 270 467
München.
1871 3 551 169 693 169 693 49 431[2] 193 044
1880 4 709 230 023 222 418 48 671 260 543
1890 6 399 349 024 305 884 48 743 368 139
1900 8 696 499 932 395 997 43 955 526 163
1905 8 756 538 983 .[3] 40 223 .[3]
1910 8 871 596 467 428 312 40 562 632 853

IV. Grössere Binnenmischung unseres Volkes nach Geschlecht, Alter, Familienstand, Haushaltung, Muttersprache, Staatsangehörigkeit, Religion.

Mit der Änderung der Szenerie, mit dem vorgeschilderten Zug nach dem Westen und in die Städte ist mehr als ein Ortswechsel verbunden. Der ganze Habitus des Volkskörpers wurde beeinflusst. Die verstärkte Binnenmischung innerhalb Deutschlands zeigt


  1. Der Stadtkern (City) umfasst in Berlin: Alt-Berlin, Alt-Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt, Friedrichsstadt; in Hamburg: das vom alten Festungsgürtel umspannte Gebiet; in München: die Altstadt.
  2. Zahl von 1875.
  3. a b Wird für München nur von 10 zu 10 Jahren berechnet.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/205&oldid=- (Version vom 18.9.2021)