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kommen wir in der Selbstdeckung des steigenden Kräftebedarfs voran und benötigen weniger aus fremdem Kräfte-Reservoir. Erst wenn diese Selbstdeckung in befriedigender Weise möglich ist, kann die mehrfach vorgeschlagene Steuer auf ausländische Arbeiter zum Schutz des nationalen Arbeitsmarkts zur Erwägung kommen, kann ein derartiger Schutz des nationalen Arbeiters als Glied in den sonstigen Schutz der nationalen Arbeit einbezogen werden.

II. Das Deutschtum im Ausland.

Wie schon erwähnt, war die Zuwanderung nach Deutschland nur in den Jahrfünften 1895/1900 und 1900/1905 grösser als die Auswanderung. Sonst überwog die Auswanderung, bestand m. a. W. ein Wanderungsverlust. Er bezifferte sieh für die Periode 1871/1910 auf nicht weniger als 2,47 Millionen. Es betrug nämlich

die natürliche Bevölkerungsmehrung 26 339 528
die tatsächliche Bevölkerungsmehrung 23 866 990
mithin der Wanderungsverlust 2 472 538

Für die einzelnen Volkszählungsperioden verteilt sich diese Zahl in folgender Weise:

      mehr (+), weniger (–) zu- als abgewandert
absolut auf 1000 der Bevölkerung
durchschnittlich jährlich
1871–1876 – 319 750 – 1,91
1875–1880 – 381 181 – 1,73
1880–1885 – 980 215 – 4,26
1885–1890 – 329 110 – 1,38
1890–1895 – 448 810 – 1,77
1895–1900 + 094 125 + 0,35
1900–1905 + 052 307 + 0,18
1905–1910 – 159 904 – 0,51

Soweit es sich dabei um die überseeische Auswanderung handelt, ist diese am stärksten in den Jahren 1881 und 1882 mit 220 902 und 203 585 deutschen Auswanderern gewesen. Seitdem ging sie mit geringen Unterbrechungen ständig zurück; im Jahre 1912 betrug sie 18 545 (oder nur 0,28‰ der Bevölkerung). In den letzten 3 Jahrfünften war die nachgewiesene Übersee-Auswanderung nahezu gleich gering. Der neuerliche Wanderungsverlust kann nur durch Zunahme der trockenen Auswanderung über Land (z. B. Wanderung von Elsass-Lothringen nach Frankreich) und (bezw. oder) Abnahme der Zuwanderung verursacht sein.

Eine nähere Kenntnis von der Ausbreitung des Deutschtums im Auslande ist – obschon in Hinsicht auf die neuzeitliche Ausgestaltung der volks- und weltwirtschaftlichen Lage und die Beziehungen der verschiedenen nationalen Volkswirtschaften zueinander von grossem Belang – nicht leicht zu beschaffen.

Natürlich kommen als „Deutsche im Ausland“ nur solche in Betracht, die ausserhalb des zum Deutschen Reich gehörigen Gebiets, also auch ausserhalb der deutschen Schutzgebiete sich befinden. Aber woran sind die Betreffenden als Deutsche zu erkennen? An der Staatsangehörigkeit? Der Begriff unterliegt vielen Irrtümern. Daher gelingt schon innerhalb des Reichs die Ermittlung der Reichsangehörigkeit mangelhaft, noch mangelhafter natürlich für die im Ausland befindlichen Deutschen bei dem dort meist viel unvollkommeneren Zählapparat. Dazu kommt aber, dass vielfach, namentlich in englischen und sonstigen Kolonialgebieten sowie in den mittel- und südamerikanischen selbständigen Staaten, die Aufnahme in die dortige Staatsangehörigkeit und die Preisgabe der deutschen Staatsangehörigkeit sehr erleichtert ist, und die wenigsten sind sich bewusst, dass sie mehrere Staatsangehörigkeiten nebeneinander besitzen können. Überdies stellen die als „deutsche Reichsangehörige“ im Auslande ermittelten Personen auch sonst die Gesamtzahl des Deutschtums keineswegs erschöpfend dar. Es gibt genug Deutsche, die die Reichsangehörigkeit

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/198&oldid=- (Version vom 17.9.2021)