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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

die Pensionskasse für die Arbeiter der Eisenbahnverwaltung, welche Ende 1908 ein Vermögen von 136 Millionen Mark angesammelt hatte, stets ein Viertel desselben in Reichs- und Staatsanleihen anzulegen hat. Entsprechende Verpflichtungen sollen den Kleinbahnen- und Privateisenbahngesellschaften für bestimmte Fonds auferlegt werden. Bei der durch die Ostpreussische Landschaft gegründeten Lebensversicherungsanstalt hat man ähnliche Vorschriften in das Statut aufgenommen. In der Reichsversicherungsordnung vom 19. 7. 1911 R.G.Bl. S. 509, § 718 ist ferner gesetzlich angeordnet, dass die Berufsgenossenschaft mindestens ¼ ihres Vermögens in Anleihen des Reiches oder der Bundesstaaten anlegen muss und ausserdem nicht mehr als die Hälfte in anderen als mündelsicheren und denen gleichgestellten Werten (§ 26) anlegen darf. Auch das Vermögen der Versicherungsanstalten für Privatangestellte und der sog. Ersatzkassen (§§ 226 u. 381 R. G. v. 20. 12. 1911 RGBl. S. 909) ist zu ¼ in Reichs- und Staatsanleihen anzulegen. Ebenso bestimmt das Preussische Gesetz über die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten vom 25. Juli 1910 (G. S. S. 241) in § 19, dass die Anstalten ihr Vermögen mindestens zu ¼ in Anleihen des Reiches oder des Preussischen Staates anlegen müssen und bis zur Erreichung dieses Besitzstandes ein Drittel ihres jährlichen Vermögenszuwachses in derartigen Werten anzulegen haben.

c) Kreditgenossenschaften und Banken.

Auch für Kreditgenossenschaften und Banken fordert man aus Gründen der Liquidität vielfach die Einführung eines gesetzlichen Zwanges zum Ankauf von Staatspapieren. Was die Kreditgenossenschaften anbelangt, so lässt deren Liquidität allerdings zu wünschen übrig. Wenn auch Ziele und Geschäftstätigkeit der Genossenschaften andere, den Banken mehr als den Sparkassen ähnelnde sind, wenn ferner bei den Genossenschaften durch die unbeschränkte Haftung der Mitglieder, in dem Rückhalt, den die Genossenschaften an den Zentralorganen, namentlich der Pr. Zentralgenossenschaftskasse u. der Bayerischen Zentraldarlehnskasse haben, und in der von diesen und den Revisionsverbänden geübten Aufsicht und Kontrolle ein gewisser Ersatz für die Liquidität der Bestände gefunden werden kann, muss doch eine Besserung des Deckungsverhältnisses der Passiven in Hinsicht ihrer Liquidität selbst auf Kosten der Erzielung höherer Gewinne nachdrücklichst angestrebt werden.

Neuere Vorschläge gehen dahin, die Grossbanken zu vermehrter Anlage von Staatspapieren zu zwingen oder gar besondere Depositenbanken zu gründen[1], die ihre Depositen hauptsächlich in Staatspapieren anlegen sollen. Nun ist es richtig, dass in England wie in Frankreich die grossen Banken verhältnismässig grössere Bestände in Staatspapieren angelegt haben, als bei uns. Und wenn bei der Deutschen Bank neuerdings der Staatspapierbesitz sehr erhöht worden ist, so ist das in verschiedener Hinsicht erfreulich. Man darf auch hoffen, dass die Einrichtung der Veröffentlichung von Zweimonatsbilanzen in der erweiterten Form die Banken veranlassen wird, grössere Bestände in Staatspapieren anzulegen. Aber die Verhältnisse all dieser reinen Erwerbsgesellschaften liegen doch von Land zu Land und selbst innerhalb des einzelnen Landes so verschieden, dass die Einführung von Zwangsvorschriften grosse wirtschaftliche Nachteile im Gefolge haben könnte.

d) Reservefonds der Aktiengesellschaften.

Die Forderung, die Aktiengesellschaften zur Anlegung des gesetzlichen Reservefonds (§ 262 H. G. B.) oder doch wenigstens der Hälfte desselben in Staatspapieren zu zwingen, wird meist mit Bezugnahme auf zahlungsunfähig gewordene Betriebe (z. B. Leipziger, Niederdeutsche Bank) begründet, wo die Depositengläubiger eine bessere Befriedigung erhalten haben würden, wenn die Reserven anstatt in sonstigen Aktiven in Staatspapieren angelegt gewesen wären. Das mag richtig sein. Aber mit solchen Beispielen lassen sich wirtschaftlich so einschneidende Massnahmen, wie die hier in Frage kommende, nicht rechtfertigen. Der Zweck der Bestimmung des gesetzlichen Reservefonds ist, die wirtschaftliche Kraft der Unternehmungen


  1. S. hierüber auch O. Schwarz, Diskontpolitik, Leipzig 1911, S. 177 ff.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/183&oldid=- (Version vom 16.9.2021)