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Es ist klar, dass durch ihre Steuerfreiheit die französische und italienische Rente gegenüber anderen einheimischen festverzinslichen Werten einen so erheblichen Vorsprung haben, dass er deutlich im Kurse zum Ausdruck kommen muss.

Einen wirtschaftlichen Vorteil haben alle Staaten ihren Staatsfonds durch Beilegung des Charakters der sog. Mündelsicherheit geschaffen. In neuerer Zeit ist dieser Vorteil freilich vielfach auch den Schuldobligationen anderer öffentlicher Körperschaften zuteil geworden. Die weiteste Ausdehnung des Kreises der mündelsicheren Werte hat in England durch Aufnahme der Kolonialwerte in die Liste der Trustee securities stattgefunden, und ohne Zweifel hat diese Massnahme ganz besonders mit zu dem ausserordentlich starken Kursrückgange in jenem Lande beigetragen.

5. Zwangsanlagen.

Die Staaten haben sich, um die Unterbringung ihrer Staatsschuldscheine zu fördern, nicht darauf beschränkt, ihren Gläubigern besondere steuerliche und wirtschaftliche Vorteile zuzusichern. Auch vor einem direkten Zwange gewisser Institute und Gesellschaften zum Ankauf von Staatspapieren ist man nicht zurückgeschreckt. Dies ist namentlich der Fall gewesen in Frankreich, England, Ver. Staaten und Italien, erst neuerdings auch in Deutschland.

In der Tat kann die Schaffung einer ständigen Nachfrage nach Staatspapieren seitens der genannten Institute und Gesellschaften gewisse Kursbesserungen und eine Kursstabilisierung zur Folge haben.

a) Öffentliche Sparkassen.

In England wie in Frankreich und Italien müssen die sämtlichen Einlageüberschüsse oder doch der weitaus grösste Teil derselben und das Vermögen der Sparkassen in Staatspapieren angelegt werden. Eine solche Bestimmung in Deutschland durchzuführen, würde schon deshalb nicht angängig sein, weil sich hier das Sparkassenwesen ganz anders entwickelt hat, wie in jenen Ländern. Dort ist letzten Endes der Staat derjenige, welcher den Einlegern einen gewissen Zins garantiert und daher auch die Auswahl der Anlagewerte bestimmen kann. Entstehen dabei Verluste, so muss er konsequenterweise zu deren Deckung mit eigenen Mitteln einspringen und hat dies auch getan. Bei uns sind es dagegen Gemeinden und weitere Kommunalverbände, welche etwaige Verluste zu tragen haben. Diese Verbände würden sich nur an den Einlegern durch Verringerung der ihnen zugesicherten Zinsquoten schadlos halten können oder die ihnen aus den Sparkassenüberschüssen zufallenden Gelder vermindert sehen. Von einer Zwangsanlageverpflichtung in dem Umfange wie in E. und F. kann schon aus diesem Grunde nicht die Rede sein. Es kommt hinzu, dass nach der ganzen historischen Entwickelung unseres Sparkassenwesens der Hypothekenmarkt auf die Unterstützung durch Sparkassengelder in einer Weise angewiesen ist, dass eine völlige Entziehung derselben die grössten wirtschaftlichen Schäden hervorrufen könnte. Ähnliches gilt für Österreich.

Auf der anderen Seite lässt sich ein in mässigen Grenzen gehaltener Zwang für die Sparkassen, einen Teil ihrer Gelder dem Staatspapiermarkte zuzuführen, ganz abgesehen von den Rücksichten auf den Staatskredit, schon durch die heute zweifellos nicht genügende Liquidität unserer Sparkassen rechtfertigen. (Näheres in unserer Sonderbroschüre S. 15 ff.)

In Preussen hat man daher neuerdings – nach einem vergeblichen Versuche im Jahre 1906 – durch Ges. vom 23. Dez. 1012 (G.-S. 1913 S. 3.) bestimmt, dass die kleineren Sparkassen (bis 5 Mill. Einlagen) 15%, die mittleren (bis 10 Mill. Einl.) 20%, die übrigen 25% des Vermögens in mündelsicheren Inhaberobligationen und davon 3/5 in Schuldverschreibungen des Deutschen Reichs oder Preussens anzulegen haben. Die Anlage erfolgt aber erst allmählich (§ 3 a. a. O.).

b) Pensions-, Öffentliche Versicherungsanstalten usw.

In Preussen und im Reiche hat man den Gedanken der Schaffung von Zwangsanlagen noch in anderer Richtung verfolgt. Infolge einer Resolution des Hauses der Abgeordneten vom 10. Juni 1910 (Sten.-Ber. Sp. 6943) hat der Minister der öffentlichen Arbeiten angeordnet, dass

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/182&oldid=- (Version vom 16.9.2021)