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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Bisher ist es in der Tat gelungen, die reichsgesetzlich angeordnete Tilgung in den Etats aufrecht zu erhalten, und es ist zu hoffen, dass dies auch in der Zukunft geschehen könne. Neuerdings haben sogar noch über dieses Mass hinaus erhebliche ausserordentliche Tilgungen aus Überschüssen im Reichsetat und bei den Überweisungssteuern stattgefunden. S. dazu R.G. vom 15. Juli 1909 § 3 (RGBl. S. 743), v. 21. 3. 1910 § 6 (RGBl. S. 525) u. RG. v. 7. 4. 1911 § 4 (RGBl. S. 113). –

Die Übernahme (Emission) von Anleihen erfolgt in Deutschland in der Regel durch ein Konsortium auf eigene Rechnung. Dabei hat sich im Laufe der Zeit, beginnend mit den 50er Jahren, für preussische und später auch für die Reichsanleihen eine gewisse feste und dauernde Gruppe von Banken gebildet, die regelmässig die Staats- und Reichsanleihen zu übernehmen pflegen. Es ist das sog. „Preussenkonsortium“, welches im Laufe der 90er Jahre erheblich erweitert wurde.

Die Verwaltung der Reichsschulden lässt sich nur zugleich mit der Verwaltung der preussischen Staatsschuld darstellen. Für Preussen fungiert auf Grund des Ges. v. 24. 2. 1850 (GS. S. 57) als Verwaltungsorgan für die Verwaltung der Staatsschulden die Hauptverwaltung der Staatsschulden, welche als eine von der allgemeinen Finanzverwaltung abgesonderte, selbständige Behörde unbedingt verantwortlich ist für An- und Ausfertigung, sowie Ausgabe der Staatsschuldverschreibungen (Konsols) und Zinsscheine, für die regelmässige Verzinsung, für die vorgeschriebene Tilgung, für Löschung, Kassation und Aufbewahrung der eingelösten sowie der behufs Eintragung ins Staatsschuldbuch eingereichten Schulddokumente, endlich dafür, dass sie nicht über den Betrag der gesetzlich genehmigten Anleihedokumente hinaus ausgegeben werden. Nur soweit es mit dieser unbedingten Verantwortlichkeit vereinbar ist, unterliegt die H. d. St. der oberen Leitung des Fin. Min. (Ges. v. 24. 2. 50 §§ 1, 6 u. v. 20. 7. 83 § 23).

Im übrigen ist ihre Aufgabe Verwaltung der Staatsschuld und der zu diesen Zwecken ihr überwiesenen Mittel, An- und Ausfertigung, Ausweisung, Wiedereinziehung der Schulddokumente, Einrichtung von Staatsgarantien, Ermittelung und Verfolgung von Fälschungen pp. und endlich Führung des Staatsschuldbuchs.

Sie ist eine kollegiale Behörde. Präsident und Mitglieder werden vom König ernannt und leisten vor dem Ob.Verw.Ger. einen Eid auf die besonderen Pflichten ihres Amts nach gesetzlich bestimmter Formel. Als nachgeordnete Organe sind ihr unterstellt 1. Die Kontrolle der Staatspapiere 2. die Staatsschuldentilgungskasse, 3. das Staatsschuldbuchbureau.

Die parlamentarische Kontrolle über die Hauptverw. d. Staatssch. bezieht sich nur auf die ihrer eigenen Verantwortlichkeit unterliegenden Geschäfte und ist eine fortlaufende, durch die Staatsschuldenkommission ausgeübte. Letztere besteht aus je 3 auf 3 Jahre gewählten besonders vereidigten Mitgliedern der beiden Häuser des Landtags und dem Präsidenten der O. R. K. Alljährlich hat sie dem Landtag über ihre Tätigkeit und die Verwaltung des Schuldenwesens schriftlichen Bericht zu erstatten.

Unter dem Titel „Reichsschuldenverwaltung“ hat die H. d. St. zugleich auch die Reichsschuld zu verwalten. Die Funktionen des Fin. Min. hat hier der Reichskanzler, diejenigen der Staatsschuldenkommission die Reichsschuldenkommission zu übernehmen, welche letztere aus dem Vorsitzenden des Ausschusses des Bundesrats für das Rechnungswesen oder einem Stellvertreter des Vorsitzenden und 5 vom Bundesrat alljährlich gewählten Mitgliedern des Rechnungsausschusses, 6 vom Reichstag gewählten Mitgliedern und den Präsidenten des Reichsrechnungshofes besteht. Ihr Bericht ist dem Bundesrat und dem Reichstage zu erstatten. (Reichsschuldenordnung v. 19. März 1900 §§ 9–15).

Zur Zuständigkeit der Hauptverwaltung der Staatsschulden in Preussen und der Reichsschuldenverwaltung gehört auch die Verwaltung des preussischen Staats- und des Reichsschuldbuches.

Hinsichtlich der Einrichtung des Schuldbuchs sind für Preussen die Gesetze v. 20. 7. 83 (GS. S. 120) v. 21. 4. 86 u. 8. 6. 91 (GS. S. 124 bezw. 105) v. 24. 7. 04 (GS. S. 167) und v. 22. 5. 1910 (GS. S. 47),für das Reich die R. Gesetze v. 31. 5. 91 (RGBl. S. 321) v. 28. 6. 04 (RGBl. S. 251) und v. 6. 5. 1910 (RGBl. S. 665) massgebend.

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/172&oldid=- (Version vom 15.9.2021)