Seite:Handbuch der Politik Band 2.pdf/165

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

4% Schatzanweisungen, in 4 Serien zu je 20 Mill. M., fällig in 4–5 Jahren, Begebungspreis: 99¼%. Die Begebung erfolgte – was vielen Tadel erfuhr – zur Schonung des einheimischen Marktes in New-York, von wo übrigens bald wieder ein Rückfluss in die Heimat stattfand. Gegenwärtig hat das Reich 200 Mill. derartiger Schatzanweisungen ausgegeben (zu 4%).

Was den Charakter dieser Schatzanweisungen anbetrifft, so werden sie von der Reichsfinanzstatistik den schwebenden Schulden zugerechnet, obgleich sie im letzten Grunde nichts anderes als eine feste langfristige Schuld sind, die nur in kurzfristiger Form aufgenommen wurde. Das sieht man deutlich daran, dass sie bei Verfallzeit meist immer wieder durch Schatzanweisungen eingelöst sind.[1]

Die Ausgabe dieser Schatzanweisungen erfolgt in der Regel gar nicht in der Absicht, aus künftigen Einnahmen wieder eingelöst zu werden, sondern um den in Folge der allgemeinen Wirtschaftslage oder mit Reichs- und Staatsanleihen bereits übersättigten Kapitalmarkt augenblicklich zu schonen. Sie bereiten also vielfach nur neuere weitere feste Anleihen vor.[2]

Die gesetzliche Ermächtigung des Reichsschatzsekretärs zur Wahl dieser Form der Schuldaufnahme für Zwecke, die sonst im Wege von Reichsanleihen gedeckt werden, ergibt sich einmal aus der neueren Fassung der Reichsanleihegesetze, sowie ferner aus einer Vorschrift der Reichsschuldenordnung v. 19. März 1900, § 1, wonach die im Wege des Kredits auf Grund des ausserordentl. Etats zu beschaffende Geldsumme entweder durch Aufnahme einer verzinslichen Anleihe oder durch Ausgabe von Schatzanweisungen zu erfolgen hat. Durch die Nov. v. 22. 2. 1904 wurde dann hinzugefügt, dass diese Ermächtigung zugleich die Befugnis in sich schliesse, Schatzanweisungen durch Ausgabe von neuen Schatzanweisungen und von Schuldverschreibungen in dem erforderlichen Nennbetrag einzulösen.

Preussen ist dem Vorgange des Reiches gefolgt und hat seit 1907 zum ersten Male 200 Mill. 4% bis 1. Juni 1912 laufender Schatzanweisungen ausgegeben, die nicht zur vorübergehenden Verstärkung der Betriebsfonds, sondern zur Begebung von bereits genehmigten Anleihekrediten dienten. Gegenwärtig sind 635 Mill. derartiger Sch. ausgegeben.

C. Feste, fundierte Schulden.

1. Feste oder fundierte Reichsschuld.[3]

Die 770 Mill. M. Schulden des Norddeutschen Bundes und die aus Anlass des Krieges aufgenommenen Schulden waren bereits 1873 fast restlos gedeckt. 1875 wurden sie noch mit 45 000 Mark angegeben. Sie sanken bis 1902 dann weiter bis auf 17 700 Mark, welche Ende 1902 verjährt waren.

Die erste Anleihe des neuen Deutschen Reiches wurde 1875[4] zu Marinezwecken bewilligt, aber zunächst nicht begeben, da die Einnahmen aus der Kriegskostenentschädigung noch zur Deckung hinreichten. Erst im Jahre 1877 wurden die ersten Reichsschuldverschreibungen ausgegeben. Es handelte sich dabei um 43 Mill. Reichsanleihe zu 4%, die im Wege der öffentl. Subskription dem Publikum zum Kurse von 94,60% angeboten wurden. Seitdem erhöhte sich


  1. Durch R. Ges. betr. Aenderung des Reichsschuldenwesens v. 22. 2. 1904 (RGBl. S. 66) ist es ausdrücklich für zulässig erklärt worden, dass bei Fälligwerden von Schatzanweisungen und zu ihrer Einlösung erforderlichenfalls – ohne spezielle Ermächtigung – neue Schatzanweisungen ausgegeben werden. Erst in neuester Zeit hat man angefangen, fällig gewordene derartige Schatzanweisungen wenigstens teilweise nicht zu erneuern.
  2. So diente die 1912 ausgegebene Anleihe des Reiches in Höhe von 80 Mill. zur Aufnahme einer fundierten Schuld an Stelle früherer Schatzanweisungen.
  3. Den festen und fundierten Schulden zuzurechnen sind auch die Garantieschulden, d. h. Schulden anderer Korporationen, Gesellschaften oder Institute, für welche Reich oder Staat die Garantie der Zins-Tilgungszahlung pp. übernommen haben. Auch sie bedürfen im Verfassungsstaate eines Gesetzes. (R.V.A. 73, Pr.V.U. A. 103) Im allgemeinen spielen diese Schulden keine finanziell bedeutende Rolle.
  4. R. G. v. 27. 1. 1875. RGBl. S. 18.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/165&oldid=- (Version vom 15.9.2021)