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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

mit dem Zuwachs an dem gesamten steuerbaren Vermögen, ferner alle natürlichen Personen ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und Aufenthalt mit dem Zuwachs an inländischem Grund- und Betriebsvermögen. Steuerpflichtig sind also auch die Abkömmlinge, sofern es sich um einen steuerbaren Zuwachs handelt. Das Vermögen der Ehegatten wird auch hier für die Veranlagung zusammengerechnet, sofern sie nicht dauernd getrennt von einander leben. Ist ein Ehegatte innerhalb des Veranlagungszeitraumes gestorben, so ist der aus dem Erbfall für den anderen Ehegatten sich ergebende Zuwachs insoweit steuerfrei, als das ererbte Vermögen in der Hand des verstorbenen Eheteils von der Steuer in Zukunft befreit gewesen wäre. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn das ererbte Vermögen bereits vor dem ersten für die Steuerpflicht des Erblasses in Betracht kommenden Zeitpunkt, zunächst also vor dem 1. Januar 1914 vorhanden war, oder wenn von dem Vermögen vor oder nach der Verheiratung bereits der Wehrbeitrag oder die Besitzsteuer entrichtet worden ist. Der überlebende Ehegatte hat also nur dann vom nächsten Veranlagungstermine ab eine Besitzsteuer zu entrichten, wenn er durch die Erbschaft ein bis dahin noch nicht versteuertes Vermögen erhält.

Der Steuersatz beträgt 0,75 bis 1,50 v. H. je nach Grösse des Zuwachses. Z. B. 0,75 v. H. bei einem Zuwachs bis zu 50 000 Mk., 0,90 bei mehr als 50 000–100 000 Mk., 1,05 bei 100 000 bis 300 000 Mk., 1,50 bei mehr als 1 Million. Der Steuersatz erhöht sich aber noch je nach der Grösse des bereits vorhandenen steuerbaren Vermögens, z. B. um 0,1% des Zuwachses bei einem Vermögen von 100 000 Mk., um 0,2% bei einem solchen von 200 000 Mk., um 0,6% bei 750 000, 0,7 bei 1 Million, 0,9 bei 5, und 1 % des Zuwachses bei 10 Millionen. Die Progression ist also eine doppelte; sie bewegt sich zwischen 0,75 und 2,5 v. H. Beträgt der Zuwachs z. B. 80 000 Mk. und hat derjenige, dem das Vermögen zugefallen ist, bisher kein steuerbares Vermögen gehabt, so beträgt der Steuersatz 0,90 v. H., die Steuer also 720 Mk.; hat er aber schon ein Vermögen von 1 Million Mk. gehabt, so werden noch weitere 0,7 v. H. = 560 Mk. vom Zuwachs erhoben, so dass die Steuer sich auf 1280 Mk. beläuft.

Steuerermässigungen treten in den folgenden zwei Fällen ein:

1. Wenn ein Steuerpflichtiger, dessen Vermögen 100 000 Mk. nicht übersteigt, 3 oder mehr Kindern Unterhalt zu gewähren hat, so ermässigt sich die Steuer für das dritte und jedes weitere minderjährige Kind um 5 v. H. ihres Betrags.

2. Bei Vermögenszuwachs aus Erbschaft bis zu 50 000 Mk. einschliesslich ermässigt sich die Abgabe, wenn der Erbe ein Abkömmling des Erblassers ist und zur Zeit des Erbfalles das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für jedes bis zur Vollendung des 21. Jahres fehlende volle Jahr um 5 v. H.; jedoch darf die Gesamtermässigung 50 v. H. der Abgabe nicht überschreiten.

Bezüglich der Veranlagung der Besitzsteuer gelten im wesentlichen die gleichen Bestimmungen wie beim Wehrbeitrag, namentlich auch die, dass sie wie auch die Erhebung durch die Steuerorgane der Bundesstaaten durchgeführt wird. Zur Abgabe einer Besitzsteuererklärung sind alle Personen mit einem steuerbaren Vermögen von 20 000 Mk. und mehr verpflichtet, wenn sie früher weder zum Wehrbeitrag noch zur Besitzsteuer veranlagt waren, sowie alle Personen, deren Vermögen sich seit einer solchen Veranlagung um mehr als 10 000 Mk. vermehrt hat. Neben anderen Sicherungsmassregeln, die eine richtige Steuererklärung verbürgen sollen, steht der Steuerbehörde auch das Recht zu, innerhalb 6 Monaten nach dem Tode eines Steuerpflichtigen von den Erben, bezw. von den Testamentsvollstreckern oder Nachlasspflegern ein Verzeichnis, über das hinterlassene Kapital- und Betriebsvermögen zu verlangen. Wenn sich aus den Vergleichungen der letzten und der früheren Steuererklärung ein steuerpflichtiger Zuwachs ergibt, so erteilt die Behörde dem Pflichtigen einen Bescheid über sein Steuersoll und die Vermögensfeststellung, den sog. Veranlagungsbescheid. Ergibt sich kein oder nur ein steuerfreier Zuwachs, so ist dem Pflichtigen, dessen Vermögen 20 000 Mk. übersteigt, ein Bescheid über den für eine künftige Veranlagung massgebenden Vermögensstand zu erteilen, der sog. Feststellungsbescheid.

Die Entrichtung der Steuer verteilt sich auf den dem Veranlagungstermin folgenden, mit dem 1. April beginnenden dreijährigen Zeitraum. Die Jahressteuer ist nach näherer Bestimmung der obersten Landesfinanzbehörde in gleichen Halb- oder Vierteljahrsbeträgen zu bezahlen. Sie

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/129&oldid=- (Version vom 12.9.2021)