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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

von 1912 mit 75,0 Mill. Mk., zusammen 172,0 Mill. Mk. Verwendung finden. Die den Bedarf von 157 Milk Mk. übersteigenden 15 Mill. sollten zur Bestreitung der vorhin erwähnten Silberankäufe Verwendung finden.

Der Raum verbietet es hier auf die Verhandlungen des näheren einzugehen, die im Reichstag und seiner Kommission über die Regierungsvorlagen gepflogen wurden. Nur deren Ergebnisse sollen kurz aufgezeichnet und die hauptsächlichsten Bestimmungen der Gesetze wiedergegeben werden; das prinzipiell Wichtige wird in einer Würdigung der neuen Steuern, die am Schlusse vorgenommen werden soll, hervorgehoben werden.

Der Gesetzentwurf über den Wehrbeitrag ist im Reichstage in wichtigen Punkten geändert worden. Zwar die steuerfreie Untergrenze ist die gleiche geblieben (10 000 Mk.) und neben dem Vermögen sollte auch das Einkommen getroffen werden; allein die Vermögenssteuer entfällt auch bei Vermögen bis 30 000 bez. 50 000 Mk., falls damit nur ein geringes Einkommen verbunden ist, und die Steuer vom Einkommen trifft nur das unfundierte Einkommen, sofern es 5 000 Mk. übersteigt. Die Steuersätze sind hier wie dort gestaffelt, doch ist die Staffelung beim Vermögen eine andere wie beim Einkommen. Die Entrichtung des Wehrbeitrags ist auf drei Termine verteilt.

Noch erheblicher waren die Änderungen bei der sog. Besitzsteuer. Den „veredelten Matrikularbeiträgen“ konnte der Reichstag keinen Geschmack abgewinnen, vielmehr sprach er sich für eine Reichsbesitzsteuer aus, die von allen Bundesstaaten nach reichsgesetzlichen Vorschriften durchzuführen sei. Auch der Entwurf des subsidiären Besitzsteuergesetzes selbst, der die Grundlage der Beratungen bildete, wurde erheblich verändert. An Stelle des zweijährigen trat ein dreijähriger Veranlagungszeitraum. Vermögensmassen bis 20 000 Mk. einschliesslich, ebenso Zuwachse bis 10 000 Mk. bleiben steuerfrei. Die Steuer ist progressiv gestaffelt; bei der Staffelung ist die Höhe des Vermögens und die Grösse des Zuwachses berücksichtigt.

Das Erbrecht des Staates ist nicht beschlossen worden; dagegen findet eine Mehrbesteuerung von Erbschaften in doppelter Weise statt. Einmal dadurch, dass das Besitzsteuergesetz prinzipiell auch die Erbanteile der Deszendenten erfasst, und zum andern dadurch, dass mehrere Sätze des Reichserbschaftssteuergesetzes erhöht worden sind. Der Anteil des Reichs am Rohertrag dieser Steuer ist von ¾ auf 4/5 erhöht worden.

Der Entwurf eines Gesetzes wegen Änderung des Reichsstempelgesetzes hat mit unwesentlichen Änderungen die Zustimmung des Reichstages gefunden. Darnach werden die Stempelabgaben von Gesellschaftsverträgen und Versicherungsverträgen, die bisher von den meisten Bundesstaaten in verschiedener Höhe erhoben worden sind, auf das Reich übernommen und einheitlich geregelt.

Mit dem Vorschlag der Reichsregierung die Zuckersteuer in der bisherigen Höhe beizubehalten, erklärte sich der Reichstag einverstanden; ebenso mit der Weitererhebung des Zuschlages zum Grundstücksstempel bis Ende des Rechnungsjahres 1916. Dagegen hat der Reichstag unter Zustimmung der Reichsregierung beschlossen, dass der Scheckstempel mit Wirkung vom 1. Januar 1917 ab aufgehoben und der Reichsanteil an der Zuwachssteuer vom 30. Juni 1913 ab nicht mehr erhoben werde.

Die neuen Reichsgesetze sind unterm 3. Juli 1913 erlassen worden.

Die finanzielle Wirkung der ganzen Gesetzgebung ist nun die folgende. Der Wehrbeitrag soll etwa 1000 Mill. Mk. erbringen, wovon etwa 880 Mill. aus der Besteuerung der Vermögen, 40 Mill. aus der Besteuerung der Aktiengesellschaften und 80 Mill. aus Einkommen fliessen sollen. Der Wehrbeitrag würde also etwa 90–100 Mill. Mk. mehr erbringen, als zur Deckung des einmaligen Bedarfs erforderlich ist. Die laufenden Ausgaben sollen in erster Linie durch die Vermögenszuwachssteuer gedeckt werden, die mit 95 Mill. Mk. veranschlagt wird. 50 Mill. sollen die Stempelsteuern erbringen, 10 Mill. die Erhöhung der Sätze der Reichserbschaftssteuer, 16 Mill. das Mehr an laufenden Einnahmen und 40 Mill. sollen aus dem Fortbestand der Zuckersteuer gewonnen werdeu. Das sind zusammen 211 Mill. Mk. Davon gehen aber sofort die bisherigen Erträge der Wertzuwachssteuer ab, die für 1912 mit 18 Mill. Mk. veranschlagt wurden, vom 1. Januar 1917 ab auch, wie erwähnt, der Zuschlag zum Grundstückumsatzstempel und die Schecksteuer, was einem weiteren Ausfall von etwa 23 Mill. Mk gleichkommt.

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/125&oldid=- (Version vom 11.9.2021)