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Über das Prinzip hatte man sich allerdings bald geeinigt; wie die Reichsregierung so war auch die Mehrheit der Volksvertretung der Meinung, daß nicht nur die dauernde, sondern auch die einmalige Ausgabe durch Steuern zu decken sei, und beide trafen auch zusammen in dem Willen, die Mittel nicht, wie das bisher im Reiche vorwiegend geschehen war, durch Belastung des Verbrauches, sondern durch unmittelbare Besteuerung der Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Über die praktische Verwirklichung aber dieses Grundsatzes im Einzelnen gingen die Ansichten erheblich auseinander.

Zur Aufbringung der Mittel für den einmaligen Bedarf sollte nach dem Regierungsentwurf ein einmaliger ausserordentlicher Wehrbeitrag in Form einer Vermögenssteuer erhoben werden. Diese sollte ½ vom Hundert aller Vermögen über 10 000 Mk. betragen; Personen mit mehr als 50 000 Mk. Einkommen sollten ohne Rücksicht auf Vorhandensein und Höhe von Vermögen mindestens 2 v. H. des Einkommens entrichten. Die Steuer sollte in zwei Raten in den Jahren 1914 und 1915 erhoben werden. Ihr Erträgnis wurde auf 990,3 Mill. Mk. geschätzt. Zur Deckung der laufenden Mehrausgaben sollten dienen:

1. Ein Mehr an (bisherigen) Etatseinnahmen von 24 Mill. Mk. für 1913/14, 16 Mill. Mk. für die weiteren Jahre.

2. Neue Stempelabgaben von Gesellschaftsakten und Versicherungsquittungen, die für 1913/14 auf 22, für 1914 und 1915 auf je 44, von da ab auf jährlich 52,5 Mill. Mk. veranschlagt waren.

3. Die sog. Besitzsteuer in Form von veredelten Matrikularbeiträgen, bezw. eine Vermögenszuwachssteuer. Die „veredelten“ Matrikularbeiträge sollten mit 1,25 Mk. vom Kopf der Bevölkerung nach Massgabe der Veranlagung zum Wehrbeitrag auf die Bundesstaaten umgelegt werden und diese verpflichtet sein, ihren Anteil durch Vermögens-, Einkommens- oder Erbschaftssteuern aufzubringen und zu diesem Zwecke derartige Steuern einzuführen oder bestehende zu erhöhen. In denjenigen Staaten, die eine solche Besteuerung nicht bis zum 1. April 1916 in Wirksamkeit setzen würden, sollte das dem Gesetzentwurf als Anhang beigegebene Besitzsteuergesetz in Kraft treten. Dieses Gesetz sollte also nur subsidiäre Geltung haben. Nach ihm sollte der Vermögenszuwachs in zweijährigen Zwischenräumen festgestellt und eine Steuer von 0,5–1,5 v. H. des Zuwachses und bei einem Gesamtwert des Vermögenszuwachses von mehr als 100 000 Mk. ein nach dessen Grösse abgestufter Zuschlag mit 0,1–1 v. H. erhoben werden; ein Zuwachs bis 2000 Mk. einschliesslich sollte steuerfrei bleiben. Die Besitzsteuer sollte 80 Mill. Mk. ertragen.

4. Die Einführung eines beschränkten Erbrechts des Staates, wovon man für 1913/14 5, für die späteren Jahre 15 Mill. Mk. erwartete.

5. Weitere Einnahmen sollten dadurch gewonnen werden, dass der Grundstücksumsatzstempel und die Zuckersteuer, entgegen früheren Beschlüssen, in der bisherigen Höhe bestehen blieben; als Ertrag war für den ersteren für 1914/15 und in den folgenden Jahren 20 Mill. Mk., für die letztere 40 Mill. Mk. jährlich in Ansatz gebracht worden.

Die Deckung der laufenden Ausgaben sollte sich also wie folgt gestalten (in Mill. Mk.)

1913/14 1914/15 1915/16 1916/17 u. folg.
Mehr an Etatseinnahmen 24 16 16 16
Neue Stempelabgaben 22 44 44 52,5
Erbrecht des Staates 5 15 15 15
Umsatzstempel 15 20 20
Besitzsteuer 80
Zuckersteuer 40
_______________________________
51 90 95 223,5

Die ersten drei Jahre sollten also erbringen 51 + 90 + 95 also zusammen 236 Mill. Mk. neuer Einnahmen, während der Bedarf, wie oben bemerkt ist, 54 + 153 + 186= 393 Mill. Mk. betragen hätte, so dass ein Fehlbetrag von 157 Mill. Mk. vorhanden war. Da dieser Fehlbetrag als vorübergehend angesehen wurde, so sollte zu seiner Deckung der Mehrertrag des Wehrbeitrages, nämlich 990,3 gegen 898 = 92,3, dann der Überschuss des Jahres 1911 mit 4,7, und der Überschuss

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/124&oldid=- (Version vom 12.9.2021)