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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Fr. J. Neumanns,[1] weiterhin Joh. Conrads[2] und W. Gerloffs[3] im Stande (an der Hand typischer Haushaltungsbudgets) für Deutschland eine Rechnung aufzumachen.

Bereits in meinem Buche „Die Reichsfinanzreform“ komme ich zu dem Ergebnis, dass zunächst an reichs-und bundesstaatlichen Steuern in Preussen[4] aufzubringen sind von den Beziehern

kleinster Einkommen, d. h.
solcher von 900–1200 Mk.
      grösster Einkommen, d. h.
solcher von 100 000 Mk.
in Prozenten
indirekte Steuern 4–5 1
direkte Steuern ½–⅔ 4
zusammen 4½–5⅔ 5

so dass Staat und Reich zusammen die Proportionalität der Besteuerung realisieren würden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass bei einem Anschlag des Einkommensteuerzuschlags der Gemeinden zu 150%, einem Anschlag, der hinter der Wirklichkeit eher zurückbleibt als sie übersteigt, die Gesamtsteuerlast in Preussen beträgt

für Einkommen
von 900–1200 Mk. von 100 000 Mk.
5-8% 14 %

Im Durchschnitt insgesamt etwa 6½% von kleinsten Einkommen, 14% von grössten Einkommen, das wäre eine Progression, die unter den besonderen Verhältnissen Deutschlands, d. h. angesichts auch der Verwendung, welche die Steuern finden (unter anderem, wie schon erwähnt, zu grossen Beträgen für den Zweck der Sozialversicherung) befriedigen könnte. Jedoch fehlt noch ein Faktor in der Rechnung: Die Rücksichtnahme auf jene Belastung, die von den Zöllen, insbesondere den Agrarzöllen, allerdings nicht zugunsten des Staats, vielmehr der Inlandsproduzenten der mit Zöllen belegten Artikel ausgeht. Hierüber habe ich eingehende Berechnungen gleichfalls in der oben genannten Schrift angestellt. Sie führten zu dem Ergebnis, dass aus dem erwähnten Titel noch etwa eine Milliarde Mark der Steuerlast als „indirekte Steuer“ zuzurechnen sei. Dementsprechend wurde als „letztes Ergebnis“ jener der fundamentalen Frage der Steuerverteilung gewidmeten Ermittlungen ausgesprochen, dass in Preussen

kleinste Einkommen   grosse Einkommen
9–13, im Mittel etwa 11% 15%

an Steuern zu tragen haben.

Kurze Zeit vor dem Erscheinen meiner „Reichs-Finanzreform“ wurde noch von sehr kompetenter Seite ausgesprochen:

„Schwerlich wird die durch die indirekten Steuern, namentlich auch durch die Agrarzölle bedingte Höherbelastung der grossen Volksmasse, der unteren Klassen, für die Reichszwecke durch die einzelstaatliche und kommunale direkte Besteuerung schon genügend kompensiert. Genügend, das heisst in dem Masse, wie es die Minimalforderungen verlangen, welche aus dem anerkannten leitenden Grundsatz der modernen Steuerpolitik, der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit der Klassen, Berufe, Einzelnen folgen. Aber selbst, wenn dieses durch die bisherige gesamte Steuerverfassung in Reich, Staaten, Gemeinden zusammen erreicht würde,
  1. Fr. J. Neumann, Zur Gemeindesteuerreform in Deutschland. 1895.
  2. Conrad, J., Zur Finanzreform in Deutschland, Jahrb. f. Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge Bd. 36.
  3. Gerloff, Beiträge zur Reichsfinanzreform, in Conrads Jahrbüchern, 3. Folge, Bd. 36 und früher, Verbrauch und Verbrauchsbelastung kleiner und mittlerer Einkommen um die Wende des 19. Jahrhunderts, Ebenda, Bd. 35.
  4. Ich halte diese Berechnung gegenüber gewissen Anfechtungen, die sie gelegentlich, zumal bei Gerloff a. a. O. erfahren hat, aufrecht. Die nähere Begründung ist, in der ersten Auflage dieser Abhandlung gegeben.
  5. Empfohlene Zitierweise:
    Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/121&oldid=- (Version vom 11.9.2021)