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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Ermöglichung der Aufbesserung der Beamtenbesoldungen ein Zuschlag zur Steuer eingeführt, der für physische Personen bei 1200 bis 3000 Mark Einkommen 5%, bei 3000 bis 10 500 Mark Einkommen 10%, bei 20 500 bis 30 500 Mark 20 und bei über 30 500 Mark Einkommen 25% erreicht, so dass die Staatssteuer effektiv für die geringsten steuerpflichtigen Einkommen 0.63%, für die Einkommen von 30 000 Mark 3⅔% und für die Einkommen von über 100 000 Mark Einkommen 5% beträgt. Kinderreiche Familien gemessen Ermässigung, auch sonst wird bei Einkommen bis 12 500 Mark auf persönliche Verhältnisse Rücksicht genommen. Die Veranlagung erfolgt auf Grund jährlicher Deklaration der Steuerpflichtigen und der Prüfung dieser durch Veranlagungskommissionen. Doch wird angenommen, dass bisher noch erhebliche Einkommensteile der Steuer entfremdet wurden.[1] Es ist vor allem der Einführung der Selbstdeklaration auch für die Vermögen zum Zwecke der Erhebung des Wehrbeitrags und etwa auch einer anderen Zusammensetzung der Einkommensteuer-Einschätzungskommissionen vorbehalten, neue Garantieen vollständigerer Erfassung der Einkommen zu schaffen.

Die Vermögenssteuer ist als Zusatzsteuer, „Ergänzungs“-Steuer zur Einkommensteuer für das aus Vermögen (von über 6000 Mark) fliessende Einkommen gedacht und beträgt nach Klassen ½‰ (an der unteren Grenze jeder Klasse, z. B. von 6–8000 Mark 3 Mark). Bei einem Vermögensertrage von 4% berechnet sie sich darnach von diesem mit 1¼, bei einem Ertrage von 5% mit 1% desselben. Doch wird seit 1909 auch hier ein, fürs erste vorübergehend gedachter, Zuschlag von 25% erhoben.

Die Ertragssteuern sind mit Einführung der neuen Einkommens- und Vermögenssteuer in Preussen als Staatssteuern in Wegfall gekommen, d. h. sind den Gemeinden überwiesen. Neben Einkommens- und Vermögenssteuer werfen in Preussen einzig die Stempelsteuern und etwa noch die Erbschafts- und Schenkungssteuer erheblichere Summen ab.

B) Bayern.

Bayern ist Preussen in der Reform seiner direkten Steuern in sehr langem Zeitabstande gefolgt. Schon 1880/81 von der Regierung geplant, ist die Einführung der Einkommensteuer daselbst erst durch Gesetz von 1910 gelungen, gleichzeitig wurden die Ertragssteuern zu Ergänzungssteuern umgebildet und demgemäss in ihren Sätzen reduziert. Die neuen Steuern traten 1912 ins Leben. Doch ist die weitere Umbildung des Steuersystems vorbehalten, sie soll bis Ende 1918 abgeschlossen sein und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie unter Ersetzung auch der reduzierten Ertragssteuern (Grund-, Haus-, Gewerbe-, Kapitalrentensteuern) durch eine Vermögenssteuer nach preussischem Muster vor sich gehen wird.

Die neue bayerische Einkommensteuer – in Kraft seit 1. Januar 1912 – zieht die Einkommen von 600 Mark an zur Steuer heran mit bis zu 5 v. H. ansteigenden Sätzen.

Bayern verfügt auch über eine grosse indirekte, ihm (wie den andern süddeutschen Bundesstaaten) bei der Reichsgründung vorbehaltene Steuer, jene vom Bier. Seit alters hier vom Malz erhoben, beträgt die Steuer ziemlich in Uebereinstimmung mit den norddeutschen Sätzen 15 bis 20 Mark pro Doppelzentner Malz, ansteigend mit der Grösse der Brauereien. Neuerrichtete Brauereien zahlen (ohne Zeitgrenze), 25% mehr.

C) Sachsen.

Hat Bayern als letzter der grossen Bundesstaaten die allgemeine Einkommensteuer zur Einführung gebracht, so kann Sachsen den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, darin sogar Preussen vorangegangen zu sein, indem es fast 15 Jahre vor diesem sein direktes Steuersystem auf die Basis der allgemeinen Einkommensteuer unter Abschaffung der Ertragssteuern bis auf eine, die Grundsteuer, stellte.

Die Einkommensteuer, seit 1878 wiederholt Gegenstand der Umbildung, lässt die Steuerpflicht bereits bei über 400 Mark Einkommen beginnen, unter Anwendung allerdings des niedrigen


  1. Vgl. hierzu die ruhig abwägende Darstellung des Frhrn. v. Zedlitz u. Neukirch („Zur Frage der Steuerveranlagung“) im „Tag“ v. 7. Dez. 1909.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/113&oldid=- (Version vom 11.9.2021)