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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

zuletzt für 1914 gesetzlich festgelegt, 1913 wurde diese Zusage anlässlich der Deckung der Wehrvorlagen zurückgenommen. Der Ertrag der Zuckersteuer war im Betriebsjahr 1911/12 157 Millionen Mark gleich 2.37 M. pro Kopf, so dass diese Steuer die Bevölkerung weniger belastet als je die Branntwein- und die Biersteuer. Allerdings trifft sie ein Genussmittel, das gleichzeitig als Nahrungsmittel anzusprechen ist.

Als „ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht“ hat sich die Salzsteuer erwiesen, die, von allen Finanzreformen unberührt, heute noch nach dem für den norddeutschen Bund erlassenen Salzsteuergesetz von 1867 erhoben wird, zum Satz von 12 Mark pro Doppelzentner. Seinerzeit zum Gegenstand heftiger Anfeindungen, da sie einen schlechterdings unentbehrlichen Verbrauchsgegenstand versteuere, gemacht, sind diese Angriffe mit dem zunehmenden Wohlstand der Verbraucher, und da andere Steuern diese wesentlich stärker belasten, fast vollständig verstummt. Der Ertrag der Salzsteuer war im Rechnungsjahr 1911/12 59 Millionen, das sind 90 Pfg. pro Kopf. Aus den weiter oben mitgeteilten Ziffern erhellt, dass die Belastung aus dem Titel der Bier- und Branntweinsteuer 3½ und fast 4 mal, aus dem Titel der Zuckersteuer 2½ mal so gross ist.

Von „grossen“ indirekten Steuern wird vom Reiche des weitern eine Tabak- und Zigarettensteuer erhoben. Nachdem der Reichstag der einzig rationellen Erhebungsform für erstere, der Banderolensteuer,[1] auch gelegentlich der letzten grossen Reichsfinanzreform unter dem Einfluss der Interessenten in weitem Bogen ausgewichen ist, wird die Tabaksteuer in Deutschland noch jetzt, wie seit 1879, als Materialsteuer, wenn auch nicht wie bis dahin in der rohesten möglichen Form, als sogenannte Flächensteuer umgelegt; die Steuer wird vom Gewicht des im Inland produzierten Tabaks erhoben, jetzt mit 57 Mark pro Doppelzentner für Tabakblätter in verarbeitungsreifem Zustande und zum niedrigeren Satze von 45 Mark speziell für Tabakblätter, die zur Herstellung von Zigarettentabak dienen. Zigaretten unterliegen dafür noch einer Sondersteuer, die für solche zum Kleinverkaufspreis bis 1.5 Pfg. pro Stück 0.2 Pfg. und progressiv ansteigend schliesslich für Zigaretten im Preise von über 7 Pfg. 1.5 Pfg. pro Stück beträgt. Die Zigarettensteuer ist als Banderolensteuer eingerichtet.

Beim Tabak bringt indess der Zoll wesentlich mehr ein als die Steuer. Letztere ertrug im Erntejahr 1911/12 nicht über 11.4 Millionen Mark, während der von eingeführten Tabaken erhobene Zoll 72 Millionen Mark erreichte. Auf den Kopf der Reichsbevölkerung wären das 1.97 Mark. Hierzu kommt jedoch noch der Ertrag der Zigarettensteuer mit 34.5 Millionen im Rechnungsjahr 1911/12 gleich 0.53 M. pro Kopf, so dass aus dem Tabak insgesamt 118 Millionen, d. h. pro Kopf 2.50 M. aufgebracht wurden, womit die Besteuerung des Tabaks sich gegenwärtig als ungefähr so ergiebig ausweist wie die Zuckersteuer.

Junge, erst neu geschaffene Steuern durch die Reichsfinanzreform von 1909 sind die Zündwaren- und die Leuchtmittelsteuer. Die Zündwarensteuer wird von Zündhölzern mit 1½ Pfg. pro 60 Stück, die Leuchtmittelsteuer von elektrischen Glühlampen, von Glühkörpern für Gasglühlicht- und Kohlenlampen, von Brennstiften für elektrische Bogenlampen usw. erhoben. Der Ertrag der Zündwarensteuer war 1911/12 21 Millionen, der der Leuchtmittelsteuern im gleichen Jahre 15 Millionen Mark.

Die lange Reihe der Reichsaufwandsteuern wird abgeschlossen durch den alten Spielkartenstempel und die Fahrkarten-, wie die Kraftfahrzeugsteuer, endlich durch den neuerdings eingeführten Versicherungsstempel.

Der Spielkartenstempel wird seit 1878 mit 30 und 50 Pfg. pro Spiel erhoben, sein Ertrag war im Rechnungsjahr 1911/12 2 Millionen.

Die Fahrkartensteuer, unter Freilassung der vierten Klasse zu einem Satz erhoben, der z. B. bei einem Fahrpreis von 10 bis 20 M. in der dritten Klasse 40, in der zweiten 80, in der ersten 160 Pfg. beträgt und der sonach in der dritten 3% des Preises erreicht, in der ersten 10% überschreitet, trug im Rechnungsjahre 1912 24 Millionen Mark.


  1. Vgl. darüber die ausgezeichnete Arbeit von Julius Lissner, Die deutsche Tabaksteuerfrage, 1907.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/104&oldid=- (Version vom 9.9.2021)