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allerdings häufiger landesherrliche Verordnungen, die sich Instruktionen oder Reglements nennen,[1] aber auch diese enthalten regelmässig keine Anweisungen zur Gesetzesauslegung, regeln vielmehr Geschäftsgang und Kompetenz der Verwaltungsbehörden und sind so ihrem Inhalte nach wesentlich als Organisationsverordnungen zu qualifizieren (s. die flgde. Ziff. 2). Das Recht, an die Reichsbehörden und Reichsbeamten Anweisungen zu erlassen, steht an oberster Stelle dem Kaiser (nicht dem Bundesrate) als dem obersten Leiter der eigenen und unmittelbaren Reichsverwaltung und Dienstherrn aller Reichsbeamten zu. Den Behörden der Einzelstaaten können Reichsorgane Dienstanweisungen nicht erteilen, da jene in keiner dienstlichen Unterordnung zum Reiche und zu den Reichsbehörden stehen. Um aber eine einheitliche Handhabung und Auslegung der Reichsgesetze seitens der Verwaltungsbehörden der Einzelstaaten zu sichern, kann der Bundesrat auf Grund des Art. 7 Ziff. 2 der R.-Verf. die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen „allgemeinen Verwaltungsvorschriften“ beschliessen. Die Regierungen der Einzelstaaten sind dann verpflichtet, für die Durchführung dieser Verwaltungsvorschriften zu sorgen, und tun dieses, indem sie an ihre Landesbehörden entsprechende Dienstanweisungen und Instruktionen erlassen.

2. Organisationsverordnungen sind Verordnungen, welche die Errichtung von Behörden, deren Zusammensetzung und innere Gestaltung wie auch deren Kompetenzen im Verhältnisse zu einander und zu den Untertanen zum Gegenstande haben. Die Frage, ob und wieweit überhaupt Behörden im Wege der Verordnung geschaffen und organisiert werden können, ist nach den oben unter II erörterten Grundsätzen dahin zu beantworten, dass dieses ohne besondere gesetzliche Ermächtigung nur zulässig ist, wenn die anzuordnende Einrichtung keine über den Rahmen des Verwaltungsapparates hinausgehende Wirkung haben soll.[2] Handelt es sich also um organisatorische Anordnungen, die nicht lediglich Interna des Verwaltungsbetriebes betreffen, vielmehr auch in die Rechtsverhältnisse der Regierten eingreifen, indem sie Rechte und Pflichten dieser zur Entstehung bringen, wie dieses stets bei der Errichtung neuer Arten von Behörden der Fall ist, die Herrschaftsrechte gegenüber den Untertanen ausüben, oder denen gegenüber die Untertanen einen Rechtsanspruch auf bestimmte formelle Erledigung ihrer Angelegenheiten haben sollen, so können solche nur im Wege der Gesetzgebung getroffen werden, sofern nicht auf diesem eine Delegation erteilt ist. Ausserdem kann selbstverständlich wegen der Wirkung des formellen Gesetzes keine auf einem solchen beruhende organisatorische Einrichtung, auch wenn sie nur interne Bedeutung hat, auf dem Wege der Verordnung abgeändert werden, wie dieser auch dort schlechthin ausgeschlossen ist, wo die Organisation bestimmter Behörden[3] oder deren Veränderung[4] ausdrücklich der formellen Gesetzgebung vorbehalten ist. Eine mittelbare Schranke des organisatorischen Verordnungsrechtes endlich bildet das Budgetrecht der Volksvertretung, indem organisatorische Einrichtungen, die dem Staate Kosten verursachen, nur getroffen werden können, wenn die erforderlichen Ausgaben in dem Etat oder einem anderen Gesetze bewilligt sind. In den hiernach gezogenen Grenzen steht der Erlass von Organisationsverordnungen in den Einzelstaaten den Landesherren zu, und zwar sind diese, vermöge der allgemeinen verfassungsmässigen Ermächtigung zum Erlasse von Ausführungsverordnungen, auch befugt, organisatorische Einrichtungen ins Leben zu rufen, die die Rechtsbeziehungen der Regierten tangieren. Über die Organisation von Behörden, und zwar von Reichs- wie von Landesbehörden (z. B. Zollämter), die zur Ausführung von Reichsgesetzen erforderlich sind, beschliesst, sofern nicht reichsgesetzlich etwas anderes bestimmt


  1. Z. B. in Preussen die Instruktion zur Geschäftsführung der Regierungen 23. Okt. 1817, die Instruktion für die Oberpräsidenten 31. Dez. 1825; in Württemberg die Instruktion für die Kreisregierungen 21. Dez. 1819.
  2. Wie Bureaus, technische Institute, Beiräte der Behörden z. B. Volkswirtschaftsrat, Eisenbahnräte.
  3. Wie die der Gerichte in Preussen schon durch die Verf.Urk. Art. 89. Heute sind die Grundlagen der Gerichtsorganisation für das ganze Reich durch das Ger.Verf.Ges. 27. Jan. 1877 reichsgesetzlich normiert.
  4. Vgl. z. B. Preuss. Ausf.Ges. z. Ger.Verf.Ges. 24. April 1878 § 21 „Die Sitze und Bezirke der Amtsgerichte werden durch Königliche Verordnung bestimmt. Dieselben können nach dem 1. Oktober 1882 nur durch Gesetz verändert werden“.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/327&oldid=- (Version vom 1.8.2018)