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sie ihnen in irgendeiner Weise, durch besondere Zufertigung oder durch den Abdruck in von der verordnenden Stelle bestimmten Blättern, die sie zu halten verpflichtet sind, amtlich bekanntgegeben ist. Natürlich ist eine allgemeinere Bekanntgabe von Verwaltungsverordnungen darum nicht unzulässig. Sie findet in der Praxis sogar regelmässig statt, wenn die Verordnungen für weitere Kreise ein Interesse haben, wie z. B. die gesetzauslegenden Anweisungen der Zentralbehörden und die Anstaltsordnungen. Auch kann selbstverständlich bei Verwaltungsverordnungen ebenso wie bei Rechtsverordnungen eine Publikation im oben angegebenen Sinne stattfinden oder gar vorgeschrieben sein.[1]

VI. Die Verordnungen sind regelmässig mehrfachen Kontrollen unterworfen. Zunächst kann die höhere Verwaltungsbehörde alle Verordnungen der ihr untergeordneten auf ihre Recht- wie ihre Zweckmässigkeit prüfen und, soweit sie nicht gesetzlich in dieser Aufsichtsbefugnis beschränkt ist, für rechts- oder zweckwidrig befundene Verordnungen der untergeordneten Behörde aufheben. Sodann unterliegen, sofern nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist – wie in Preussen bezüglich der königlichen Verordnungen, deren Gültigkeit nur von den Kammern geprüft werden darf ( Verf.-Urk.-Art. 106), oder in Oldenburg, wo die gleiche Bestimmung für alle gehörig verkündeten Verordnungen gilt (Verf.-Urk.-Art. 141 § 2) – alle zur richterlichen Kognition gelangenden Verordnungen der richterlichen Nachprüfung hinsichtlich ihrer materiellen wie formellen Gesetzmässigkeit. Stellt sich heraus, dass diese nach der einen oder anderen Richtung hin nicht vorhanden ist, so hat der Richter der Verordnung die Anwendung im vorliegenden Falle zu versagen; der formelle Fortbestand der bemängelten Verordnung wird durch solche richterliche Feststellung ihrer Gesetzwidrigkeit jedoch nicht berührt.

VII. Jede Verordnung kann abgeändert oder aufgehoben werden a) durch ein formelles Gesetz, b) soweit nicht etwas anderes bestimmt, z. B. im delegierenden Gesetze angeordnet ist, dass die einmal erlassene Verordnung nur im Wege der Gesetzgebung abgeändert werden darf, durch eine neue Verordnung dessen, der die erste erlassen hat, c) durch die der verordnenden Stelle vorgesetzte Behörde.

VIII. Nach Entwickelung dieser allgemeinen Grundsätze über die Verordnungen ist für die wichtigsten Arten derselben in einzelnen noch folgendes zu bemerken:

1. Dienstanweisungen, Instruktionen oder Reglements d. h. Anweisungen über den formellen Dienstbetrieb wie über die Anwendung und Auslegung der Gesetze kann jede Verwaltungsstelle ohne besondere Ermächtigung an die ihr untergeordneten Verwaltungsbehörden und Beamten erlassen. Dieses Recht sowie die Pflicht der angewiesenen Stellen, solchen Anweisungen nach zu handeln, folgt aus der Über- und Unterordnung der Verwaltungsorgane; die Beobachtung solcher Anweisungen ist Prästierung des dienstlichen Gehorsams, ihre Nichtbefolgung kann disziplinarisch geahndet werden. Für die Untertanen gelangen diese Anweisungen nur mittelbar zur Wirksamkeit, indem die Verwaltungsbehörden sich bei ihrer Tätigkeit nach ihnen richten. Die Gerichte sind an die in solchen Anweisungen enthaltenen Gesetzesauslegungen nie gebunden, da sie zur selbständigen Auslegung der Gesetze berechtigt wie verpflichtet sind. Und darin liegt der politische Grund dafür, dass gesetzauslegende Anweisungen regelmässig nicht von dem Landesherrn selbst, sondern von den Behörden, besonders von den Ministern, erlassen werden; die stets mögliche Reprobierung der in ihnen gegebenen Auslegung durch die Gerichte schädigt zu leicht das Ansehen der höchsten Stelle. In älterer, namentlich vorkonstitutioneller Zeit begegnen


  1. Wenn z. B. in mehreren deutschen Einzelstaaten gesetzlich schlechthin vorgeschrieben ist, dass landesherrliche Verordnungen in der Gesetzsammlung zu publizieren sind, so gilt dieses auch für die landesherrlichen Verwaltungsverordnungen. Und wenn die oben gen. Präsidial-Vdg. 26. Juli 1867 bestimmt, dass „sämtliche Anordnungen und Verfügungen“ des Kaisers im Reichsgesetzblatt verkündet werden sollen, so gilt dieses gleichfalls wie für die Rechts- auch für die Verwaltungsverordnungen. Allerdings werden reine Verwaltungsverordnungen, selbst wenn gesetzlich ihre Publikation durch das Gesetzblatt vorgeschrieben ist, für Behörden und Beamte, an die sie sich richten, infolge ihrer dienstlichen Gehorsamspflicht auch ohne diese Publikation verbindlich, sobald sie ihnen nur im Dienstwege bekannt gegeben sind; vgl. unten unter VIII, 1.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/326&oldid=- (Version vom 1.8.2018)