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bestimmten Formen zustande gekommen ist. In der neueren staatsrechtlichen Literatur geht allerdings eine starke Strömung dahin, dem Richter nur die Prüfung der formellen Erfordernisse der Publikation, nicht aber auch die der vorangehenden Akte einzuräumen[1]; allein diese Ansicht beruht auf der hier nicht geteilten, weil für das deutsche Staatsrecht nicht als zutreffend bewiesenen Auffassung, als ob die Gesetzesausfertigung in unanfechtbarer Weise das verfassungsmässige Zustandegekommensein des Gesetzes konstatiere. Nur da, wo das richterliche Prüfungsrecht durch positive Verfassungsbestimmungen in weiterem Umfange ausgeschlossen ist, wie in Preussen (Art. 106), Oldenburg (Art. 141 § 2), Braunschweig (§ 100) und einigen anderen Kleinstaaten, ist es beschränkt auf die Formalien der Publikation. Über die Pflicht des Richters, die Gültigkeit der Landesgesetze im Verhältnisse zu dem Reichsrechte zu prüfen, vgl. oben S. 286; ihr gegenüber kommen landesgesetzliche Beschränkungen des richterlichen Prüfungsrechtes nicht in Betracht.







22. Abschnitt.


Die Verordnungen.
Von
Dr. Paul Schoen,
o. Professor der Rechte an der Universität Göttingen.


Literatur:

Arndt, Das Verordnungsrecht des deutschen Reiches auf Grundlage des preussischen (1884);
Derselbe, Das selbständige Verordnungsrecht (1902);
Rosin, Polizeiverordnungsrecht in Preussen (2. Aufl. 1895);
Gneist, Art. „Verordnungsrecht“ in v. Holtzendorffs Rechtslexikon III S. 1059 ff.;
Bornhak, Art. „Instruktion“ und „Verordnung“ in v. Stengels Wörterbuch des Verw. R. 1. Auflg. II S. 696;

die oben S. 284 gen. Werke von Jellinek, Haenel (Stud. S. 62 ff.), Anschütz, v. Seydel (Komm. S. 138 ff.), sowie die daselbst gen. Lehrbücher des Staats- und Verw.-R., und zwar Laband, a. a. O. S. 78 ff., 167 ff., 185 ff.; G. Meyer, a. a. O. S. 549 ff., 570 ff.; Haenel, a. a. O. 271 ff.; Zorn, a. a. O. S. 401 ff., 481 ff.; Arndt, a. a. O. S. 199 ff.; Schulze, a. a. O. S. 1 ff.; v. Seydel, a. a. O. S. 306 f., 328 ff., 342 ff.; Loening, S. 228 ff., 240; O. Mayer, a. a. O. S. 67 ff., 91 ff., 122 ff.

I. Der Begriff der Verordnung ergibt sich aus seiner Abgrenzung gegen die Begriffe Gesetz und Verfügung.

1. Was den Gegensatz von Verordnung und Gesetz anlangt, so ist zunächst zu beachten, dass, wie die herrschende Theorie für das konstitutionelle Staatsrecht einen doppelten Gesetzesbegriff unterscheidet (oben S. 284), auch das Wort Verordnung in zweifachem, in formellem und materiellem Sinne gebraucht und dann von formeller und materieller Verordnung gesprochen wird. Unter Verordnung im formellen Sinne versteht man im Gegensatze zum Gesetze im formellen Sinne eine eine abstrakte Norm aufstellende staatliche Anordnung, die nicht im Wege der Gesetzgebung zustande gekommen ist, also ohne Mitwirkung der Volksvertretung vom Träger der Staatsgewalt oder von diesem untergeordneten Organen des


  1. So Laband a. a. O. S. 39 ff. und ihm folgend Jellinek a. a. O. S. 402 ff., Zorn a. a. O. S. 418, Anschütz Enzykl. S. 157, 158, 166 u. a. Eingehende Literaturnachweisungen bei G. Meyer, St. R. S. 631 ff., Anm. 4, 5, 6.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/321&oldid=- (Version vom 1.8.2018)