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(oder ähnlich), was folgt“ zum deutlichen Ausdrucke. Die Ausfertigung ist Ausstellung einer öffentlichen Urkunde über das Gesetz, die eine Bescheinigung über das Vorhandensein des Gesetzesbefehles, das ordnungsmässige Zustandegekommensein des Gesetzes und den richtigen Wortlaut des Gesetzestextes darstellt. Sie erfolgt dadurch, dass der Landesherr das mit dem Landtage vereinbarte, ihm in Schriftform vorgelegte Gesetz unter ministerieller Gegenzeichnung unterzeichnet. Das Datum dieser Urkunde ist das Datum des Gesetzes. Die Zurücknahme der Sanktion wie des in ihrem Gefolge erlassenen Publikationsbefehles (s. unter d) seitens des Landesherrn ist zulässig, solange diese Anordnungen noch nicht aus dem Regierungsorganismus herausgetreten sind, d. h. bis zur Verkündigung des Gesetzes,[1] die den letzten Akt des Gesetzgebungsprozesses ausmacht.

d) Die Verkündigung (Publikation) ist die amtliche Bekanntmachung der sanktionierten Normen nach der landesherrlich vollzogenen Gesetzesurkunde, an die das Recht die Wirkung knüpft, dass mit ihr das Gesetz als allgemein bekannt gilt und für jeden, den es angeht, verbindlich ist. Erst mit dieser Verkündigung ist das Gesetz als solches vorhanden, erst mit ihr liegt vor die notwendige Erklärung des Gesetzgebungswillens nach aussen hin. Sie hat zu erfolgen in dem gesetzlich dazu bestimmten Blatte (Gesetzsammlung, Gesetz- und Verordnungsblatt, Regierungsblatt u. a. genannt). Den Befehl zu dieser Verkündigung erteilt der Landesherr, er liegt in der Rückgabe der von ihm vollzogenen Gesetzesurkunde an den Minister zur weiteren Veranlassung. Das publizierte Gesetz tritt, sofern es nicht selbst einen Termin für sein Inkrafttreten bestimmt, in Kraft an dem Tage, an dem eine allgemeine landesgesetzliche Bestimmung die Landesgesetze in Kraft treten lässt (in Preussen z. B. nach dem Ges. vom 16. Februar 1874 mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betr. Stück der Gesetzsammlung in Berlin ausgegeben ist.) oder, wo es an solcher fehlt, sofort mit der Publikation.

2. Im Reiche wird nach Art. 5 der R. Verf. die Gesetzgebung „ausgeübt durch den Bundesrat und den Reichstag“. Und zwar ist die Stellung des Reichstages dabei die gleiche wie die der Landtage, die des Bundesrates die gleiche wie die der Monarchen in den Einzelstaaten, nur mit der Massgabe, dass die Tätigkeit des Bundesrates abschliesst mit der Sanktion. Die nach der Sanktion liegende, mehr formale Behandlung des Gesetzes, seine Ausfertigung und Verkündigung ist durch Art. 17 der R. Verf. dem Kaiser zugewiesen. Ausser dem Träger der Staatsgewalt und der Volksvertretung tritt hier also noch ein anderes Staatsorgan im Gesetzgebungsprozesse auf, der Kaiser, und Sanktion und Ausfertigung des Gesetzes fallen hier dadurch, dass sie verschiedenen Organen zugewiesen sind, auseinander – das sind die Momente, die dem Werdegange des Reichsgesetzes besonders charakterisch sind im Gegensatze zu dem des Landesgesetzes. Im einzelnen ist zu jenem noch folgendes zu bemerken:

a) Die Initiative zu einem Reichsgesetze hat der Bundesrat wie der Reichstag,[2] nicht aber der Kaiser; dieser kann nur, wie jeder andere Bundesfürst, im Bundesrate d. h. also als König von Preussen – denn als Kaiser ist er hier garnicht vertreten − einen Antrag auf Beratung eines Gesetzesvorschlages stellen (Art. 7 Abs. 2), ein Gesetzesvorschlag liegt dann aber erst vor, wenn der Bundesrat den preussischen Antrag angenommen hat.

b) Der Gesetzesinhalt wird vereinbart zwischen dem Bundesrate und dem Reichstage. Er ist festgestellt, wenn übereinstimmende Annahmebeschlüsse beider Körperschaften vorliegen. Im Reichstage genügt zur Annahme jedes Gesetzentwurfes ein einfacher Mehrheitsbeschluss (Art. 28). Im Bundesrate ist ein solcher hinreichend (Art. 7 Abs. 3), sofern es sich nicht um einen der folgenden vier Fälle handelt: 1. ein Gesetzentwurf, der eine Verfassungsänderung bezweckt, ist im Bundesrate schon abgelehnt, wenn er 14 Stimmen gegen sich hat (Art. 78 Abs. 1);


  1. Anders nur, wo, wie in Bayern, der Landesherr zu bestimmter Zeit dem Landtage über die Sanktion Mitteilung zu machen hat, und mit dieser Erklärung an das von ihm unabhängige Staatsorgan die Disposition über seine Anordnung verliert.
  2. Insbesondere kann der Reichstag, von dem es in Art. 23 der R. Verf. heisst, er „hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Reiches Gesetze vorzuschlagen“, auch verfassungsändernde Gesetze vorschlagen, da nach Art. 78 der R. Verf. auch Änderungen der Verf. in die Kompetenz des Reiches fallen.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/318&oldid=- (Version vom 1.8.2018)