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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

mit der Ressortverwaltungstätigkeit gepflegten speziellen primärstatistischen Feststellungen gibt es aber noch andere und zwar gerade die bedeutsamsten Feststellungen solcher Art, bei denen der allgemein statistische Charakter, die Gesamtbedeutung der Erhebung für das Gemeinwesen als solche und die gesamte von und für dieses Gemeinwesen durchzuführende Politik so in den Vordergrund tritt, dass die Vereinigung der besonderen technischen Sorge des Gemeinwesens – sei es nun Staat oder Gemeinde – für die Durchführung und Nutzbarmachung einer solchen Statistik naturgemäss in einer statistischen Zentralverwaltung zusammengefasst wird, der dann mit ihrem Erstarken gelegentlich noch manche ehedem in gesondertem Verwaltungsressort gepflegte Primärstatistik zufällt. Als selbständiges Ministerialressort hat sich die statistische Zentralverwaltung nicht ausgebildet; von einer solchen Entwicklung war nur gelegentlich und vorübergehend die Rede; der Minister der Statistik kann auch aus inneren Gründen kaum befürwortet werden, weil zwar die Ausgestaltung der statistischen Erhebungen eine sehr wichtige Verwaltungsaufgabe namentlich dazu berufener staatlicher Organe ist, aber das einheitliche besondere Verwaltungsziel der unmittelbaren Förderung eines speziellen öffentlichen Interesses, das einer gewissen politischen Interessensphäre zugehört, hier fehlt. Auch eine Sonderstellung gewissermassen über oder doch neben den Ministerialressorts in Angleichung dieser Stellung an jene eines durchaus selbständigen obersten Rechnungshof dürfte – abgesehen von prinzipiellen Bedenken – die erfolgreiche Aktion der statistischen Zentrale wohl nicht fördern. So wird die Verwaltungsstatistik vermutlich – obwohl man besser tut, nichts zu prophezeien – unter dem politischen Schutz entweder eines altehrwürdigen Ressorts, insbesondere des Ressorts des Innern, oder eines modernen Ressorts – so vor einiger Zeit des neu auftauchenden „Handels“ressorts, jetzt noch eher des Ressorts der „Sozial- und Arbeits“verwaltung u. dgl. bleiben.

Aber die statistische Zentralverwaltung wird dafür immer mehr die gesamte massgebende Technik der Erhebung, der Materialausbeutung und der Veröffentlichung mit wünschenswertem möglichsten unmittelbaren Einfluss auf die verwaltungsmässige Regelung aller dieser Fragen bestimmen und leitend und selbstarbeitend dabei eingreifen. Aus dem statistischen „Bureau“ der Vergangenheit ist das in selbständiger energischer Verwaltungstätigkeit wirksame statistische „Amt“ geworden. So finden wir heute in der Staatsverwaltung, wenn auch noch unter anderweitiger ministerieller Ägide die verselbständigte statistische Verwaltung in reicher Ausgestaltung. Diese im einzelnen darzulegen und dabei weiter auch der verwaltungsmässigen internationalen Organisationen näher zu gedenken, wie sie z. B. im Berner Amt für die Internationale Poststatistik, beim landwirtschaftlichen Institut in Rom für die Landwirtschaftsstatistik, als erste Ansätze für weitere derartige internationale Organisationen, gegeben und neuestens in der Ausgestaltung eines statistischen Amts des Internationalen statistischen Instituts in Aussicht genommen sind, fehlt hier der Raum; nur eine kurze Überschau unserer deutschen Verhältnisse sei gestattet. In voller Selbständigkeit und Konzentration findet sich die statistische Verwaltung bei jenen Ämtern, die ausschliesslich mit der Wahrnehmung von Aufgaben der statistischen Verwaltung betraut sind. Nach dem Vorschlag Mischler’s spricht man wohl in diesem Fall auch von der „ausgelösten“ Statistik, während man die Statistik da, wo sie von anderen Verwaltungsstellen neben anderweitigen Verwaltungsgeschäften gepflegt wird, als die „unausgelöste“ Statistik bezeichnet, mag es sich dabei nur um „Geschäftsstatistik“ oder einzelne besondere primärstatistische Erhebungen mit Leitung und technischem Eingreifen solcher Verwaltungsstellen handeln. Die ausgelöste wie die unausgelöste Statistik sind im Deutschen Reich namentlich in Gestalt von Reichs- Landes- und Kommunalstatistik sowie als Sonderstatistik einzelner Verwaltungsorgane vertreten. Eine sehr gute Übersicht bietet das von Dr. Platzer herausgegebene Jahrbuch der Statistik und dessen oben unter Literatur erwähnter Aufsatz. Die Organisation der ausgelösten Statistik des Reichs ist im Kaiserlichen Statistischen Amt verwirklicht, während unausgelöste Reichsstatistik von zahlreichen anderen Verwaltungsstellen geliefert wird (Auswärtiges Amt, Reichsamt des Innern, Kaiserliches Gesundheitsamt, Kaiserl. Patentamt, Reichs-Versicherungsamt, Kaiserl. Aufsichtsamt für Privatversicherung, Deutsche Seewarte [falls man die meteorologischen Ausweise zur Statistik rechnen will, zu der sie allerdings nur methodisch, nicht materiell gehören]. Reichs-Justizamt, Reichseisenbahnamt, Preuss. Ministerium der öffentlichen Arbeiten [Güterbewegung auf den deutschen Eisenbahnen], Reichs-Postamt, Reichsbank, Kriegsministerium, Reichsmarineamt).

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/259&oldid=- (Version vom 31.7.2021)