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heißt. Die zweite ist den Wilzen gegenüber gelegen; diese haben die Raner [oder Runer]SCH. 117. inne, ein sehr tapferes Geschlecht der Sclaven, ohne deren Ausspruch dem Gesetze gemäß in öffentlichen Angelegenheiten nichts geschehen darf; so sehr werden sie wegen ihres vertrauten Umganges mit den Göttern oder vielmehr mit den Dämonen gefürchtet, welche sie mit größerem Dienste verehren als die Uebrigen. Diese beiden Inseln nun sind voll von Seeräubern und den blutigsten Banditen und verschonen keinen, der hinüberfährt. Denn alle, die andere zu verkaufen pflegen, erschlagen sie.

Die dritte Insel ist die, welche Semland heißt, in der Nähe der Ruzzen und Polanen. Diese bewohnen die Semben oder Pruzzen, sehr menschenfreundliche Menschen, die denen, welche aus dem Meere Gefahr leiden, oder von Seeräubern angefallen werden, zur Hülfe entgegenfahren. Gold und Silber achten sie sehr gering; sie haben Ueberfluß an fremden Fellen, deren Duft unserer Welt das todbringende Gift der Hoffart eingeflößt hat. Und zwar schätzen jene diese Felle nicht höher denn Mist und damit, glaube ich, ist uns das Urtheil gesprochen, die wir mit allen, rechten wie unrechten Mitteln nach einem Marderkleid wie nach der höchsten Glückseligkeit trachten. Daher bringen jene für wollene Gewänder, die wir Faldone[1] nennen, die so kostbaren Marderfelle dar.

Von diesen Völkern könnte man noch viel Lobenswertes sagen was die Sitten anlangt,SCH. 118. wenn sie nur den Glauben hätten, dessen Prediger sie voll Wildheit verfolgen. Bei ihnen

Schol. 117. Reune ist die Insel der Runer, in der Nachbarschaft der Stadt Jumne, die allein einen König haben.

Schol. 118. Der löblichen Eigenschaften dieser Völker gedenkt Horaz in seinen lyrischen Dichtungen so:

Besser lebt ja der Steppenskyth’,

Auf dem Karren nach Brauch führend das Wanderhaus,
Besser starrendes Getenvolk, - -
Dem nicht über ein Jahr Aecker zu bau’n behagt. - -
Reiches Erb’ ist der Zeugenden
Tugend - -
Und das Fehl unerhört oder der Lohn ist der Tod.

     (Horaz’ Oden Buch IIII. Od. 24. V. 9-11; V. 14; V. 21, 22 und 24 nach Voß)

Bis auf den heutigen Tag leben die Türken, die den Russen nahe sind, so, und die übrigen Völker Scythiens.

  1. Die Angelsachsen nannten ein solches Gewand faldynge. Vergl. Ziemann’s mittelhochdeutsches Wörterbuch s. v. valde und valte. Sonst kommt paltene, phalte von Linnengewanden vor.
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Adam von Bremen: Hamburgische Kirchengeschichte.Leipzig: Dyk'sche Buchhandlung, 1893, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hamburgische_Kirchengeschichte_(Adam_von_Bremen)_221.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)