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a. HALBER HARNISCH DES KURFÜRST CHRISTIAN II. VON SACHSEN (1583–1611)

Kupfer, graviert und vergoldet, – Kragen 5mal geschoben, Brust mit Gansbauch, Armzeug mit 3mal geschobenen Vorder- und Hinterflügen, halben Achseln, ganzen Muscheln, Handschuhen. Burgundischer Helm mit hohem Kamm, Stirnstulp, aufschlägigem Visier. – Die Gravierung besteht aus Streifen, mit Blattranken und figürlichen Darstellungen. Am Kamm und auf dem Bruststreifen das Kurwappen, von Löwen gehalten, im Mittelstreifen der Brust ein römischer Krieger, in den seitlichen Streifen rechts ein Krieger, links ein Ritter im ganzen Harnisch, auf dem Rücken im Querstreifen ein heraldischer Adler, in der Mitte Judith. Auf dem linken Vorderflug ein geharnischter Reiter, auf dem linken Hinterflug Herkules mit dem nemäischen Löwen, auf dem rechten mit der Hydra. – Rosettenförmige, in Messing gegossene Nieten, gravierte Messingschnallen. – Turnierschurz schwarzer Samt mit Gold gestickt. – Dazu Roßstirn, auf dem aufgenieteten Schild das Kurwappen, mit gleicher Dekoration, der Rand mit schwarzem Samt und goldnen Schnuren besetzt. Die Rüstkammer besitzt noch zwei solche Harnische, die für die Fürsten Christian I. von Anhalt-Bernburg und Johann Georg I. von Anhalt-Dessau geschlagen waren, drei Sättel und fünf Roßstirnen von gleicher Ausstattung.

Ges. Inventar 1606, S. 59: Vorgulte Küris, der eine vor meinenn gnädigsten Churfürsten und Herrn, Herrn Christian Hertzogen zu Sachßen etc. geschlagen … 3 Kupfferne geschlagene und vorgulte Küris, bey einem jeden Rücken, Brust, Kragen, Spangeröl, Armzeugk, Fingerhandschuh, geschlossen Helmlin, … 3 vergulte Roßstirnen mit sammet und guldenen schnüren belegt.

Hiernach ist der Harnisch nicht für Christian I. geschlagen worden, da dieser in dem 15 Jahr nach seinem Tode aufgestellten Inventar stets mit dem Zusatz „hochleblichsten seliger Gedechtnus“ erwähnt wird, sondern für seinen Sohn, Christian II., und zwar im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. Die Beschreibung des Inventars ist im Übrigen merkwürdig ungenau, erwähnt z. B, auch nicht das Vorhandensein von je 2 Roßstirnen zu jedem Harnisch. – Der Harnisch, ohne jede Markierung, in seinem Bau ohne jede charakteristische Note, zeigt in seiner Dekoration Anklänge an eine verwilderte Flötnermaureske. Er dürfte, wie die meisten Prunkharnische der Zeit, in Süddeutschland geschlagen worden sein; die Zuschreibung an einen bestimmten Meister ist nicht möglich. – (FHM. E 9.)

b. FUSSTURNIERHARNISCH DES KURFÜRST CHRISTIAN I. VON SACHSEN (1560–1591)

Eisen, gebläut, mit vergoldetem Ätzdekor. – Kragen 4mal geschoben, Brust mit Gansbauch, rechts schmalem Brechrand, Bauchreifen, 4mal geschobenen Beintaschen, Spangröls, das linke mit breitem, 3mal geschobenen Vorder- und Hinterflug, Armzeug, ganze Muscheln, Handschuhe. Geschlossener Helm, leicht anschwellender Kamm, Stirnstulp, aufschlägiges Visier. – Auf gebläutem Grund große, von einer Mittelrippe ausschwingende Ranken, die von einer schwarzen Linie umzogen sind und ein feines, geätztes Blattmuster in vergoldeter Ätzung enthalten. – Auf der Brust die Augsburger Beschau.

Ges. Inventar 1606, S. 197: Zwölff blawe unnd vorgulde Fußturnier Küriß, unnd gehört zu einem Jeden Rücken und Brust, Kragen, Spangeröl, Armbzeug, gefingerte Handschuh, Kurze Beindäschlein, eine Schlagkhauben, welch Anthony Pfeffenheuser zu Augspurgk geschlagen, und haben weilandt meinem gnedigsten Churfürsten Christian dem ersten hochlöblichen sel. gedechtnus, solche von dero Gemahlin ao 91 zum Hl. Christ sollen verehret werden, Ihre Churf. Gn. seind aber den 25. Septembris zuvorn in Gottseligkeit entschlafen.

Von den 12 Harnischen wurden 3 im Jahre 1610 an Adam von Wallenstein geschenkt, je einer gelangte in die Eremitage in Petersburg, das Berliner Zeughaus und das Germanische Museum in Nürnberg; sechs sind noch in Dresden. Gurlitts Annahme (a. a. O. S. 86), daß erst Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen-Altenburg, der Administrator Kursachsens, 1594 die letzte Zahlung auf diese Stücke geleistet habe, ist nach Lage der Dinge kaum haltbar. Die Harnische, die nur in der Zeichnung der Ranken auf Brust und Rücken geringe Unterschiede aufweisen, gehören also in die letzte Zeit des Augsburger Plattners, der im Laufe von etwa fünfzehn Jahren ungefähr siebzehn bedeutende Harnische für den sächsischen Hof geliefert hat. Der Dekorationsstil, den der 1571 datierte Turnierharnisch des Erzherzogs Ernst in Wien zeigt (Album I, Tafel 25) [1], hat sich also durch zwei Jahrzehnte in seiner Werkstatt lebendig erhalten. – (FHM. C 10.)

Empfohlene Zitierweise:
Erich Haenel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1923, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Haenel_Kostbare_Waffen.pdf/47&oldid=- (Version vom 6.1.2019)