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a. HALBER FELDHARNISCH

Blank, geriffelt und mit geschuppten Streifen. Kragen 5mal geschoben; Brust rund, unter den Achseln geschoben, 3 abstehende Gesäß-, 3 Bauchreifen, Schwebescheiben, kurze, 4mal geschobene Achseln am Kragen angeschnallt, ganzes Armzeug, Ellbogenkacheln und spiralig getriebene Mäuseln, deren Rückseite rautenartig graviertes Muster mit Kleeblattfüllung zeigt. Henzen mit langen Stulpen, 4mal geschobene Beintaschen, 7mal geschobene Schöße, mit glattem, breitem, durch ein Spiralband verziertem Rand. Offne Sturmhaube mit Blende, Gittervisier, seitlich aufklappbaren Kinnschutz, ganz niedrigem Kamm, 3 Halsreifen, durchbrochne Federbuschhülse – Eiserne Nieten, Schnürenränder.

Ges. Inventar 1689 I, Ballienkammer, S. 302. „Ein blankeiserner gestreifter und ausgefeilter Kühris, als rück- und bruchstücke, ringkragen, schlaghaube mit einem Streiffichten Visier, armzeige, handschuch, lange beintaschen und hinterschurz, auch zwey anhangenden rundten schildern, und zweyen einzeln armbockeln. Welchen hiebevorn von einen Platnern zu Nirnbergk zum Meisterstücke geschlagen worden.“

Der Harnisch war dann im 18. Jahrhundert (Inv. Baillenkammer 1720, Nr. 46) zu Pferd aufgestellt, im 19. (Ges. Inventar 1836, Schlachtsaal S. 380), mit glatten Beinröhren versehen worden; so erscheint er auf der Tafel Hettner-Büttner, 101 (1871); und in Erbsteins Führer, 2. Aufl., 1892, S. 38. Ehrenthal hat ihn dann wieder richtig, d. h. ohne die Beinröhren, aufgestellt, die Tradition der Nürnberger Herkunft und die durch Erbstein auf die „Zeit der Brüder Kurfürst Moritz und Herzog August“ richtig erkannte Zeitbestimmung aufgenommen, durch Verwechselung mit einem andern Harnisch (Inventar 1606, S. 56), der zwar ein gegittertes Visier, sonst aber in der Beschreibung nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem vorhandenen Stück aufweist, ihn als Erwerbung Carlo Tetis für Christian I. in Anspruch genommen. Dies ist auch aus stilistischen Gründen unmöglich: denn der Harnisch, in dem der Maximilianstyp mit größtem Geschmack dekorativ neugestaltet ist, kann nicht vor der Mitte des 16. Jahrhunderts geschaffen worden sein, und die Qualität der Arbeit spricht, bei dem Fehlen jeder Markierung, für eine hervorragende Werkstatt. Daher ist der prachtvolle Harnisch sicher als Nürnberger Meisterstück anzuerkennen. (FHM. E 2.)

b. RENNZEUG DES KURFÜRST AUGUST VON SACHSEN (1526–1586)

Blank, mit Ätzstreifen. – Rennhut mit Stirnblech, Glocke seitlich geriffelt, Nackenschutz; steiler Bart, Brust mit tiefen Armlöchern, rechts abgeflacht, Rücken leicht bündelweise geriffelt; kurzes, unregelmäßig abgeschnittenes Magenblech, 4 runde Bauchreifen, wie die 7mal geschobenen Rennschöße mit Zackenrand, das unterste Geschübe leicht aufgetrieben. Am Schwänzel noch seitlich Lederflügel. Rüsthaken derb, die Innenseite des Brustblechs mit Blei ausgegossen, zur Verstärkung des Haltes; der Rasthaken mit Verstellöchern und sehr großen Schrauben. – Die Ätzung, im Charakter der süddeutschen Frührenaissance, enthält in lebhaft bewegtem Rankenwerk figürliche Motive, Halbfiguren bärtiger Männer und Tiergestalten. Auf der Brust das große, zwölfteilige sächsische Wappen, auf dem Rennbart die dazugehörigen Helme. Rüst- und Rasthaken von andrer Hand geätzt, geringer in Stil und Technik, wohl etwas später ergänzt.

Inventar 1606, S. 249. Zwen Rennzeuge, welche der alte … Augustus, Churfürst zu Sachßenn, gebraucht, und jetzger Zeit uf Holzernen Pferdenn, mit aller Zugehörung, geordnet, samst derselbenn Streifftarzschen, Tharzschen, Spieß unnd Kerbeisenn.

(Das hier genannte, zweite Rennzeug ist das, bis in die Gegenwart stets mit ihm zusammen als „Scharfrennen“ aufgestellte Siegmund Rockenbergers.)

Die nach seinem Bau und dem Stil der Ätzung deutliche Verwandtschaft des Zeuges mit dem des Erzherzogs Ferdinand von Tirol in Wien (N. 996, Boeheim, Album I, 47[ER 1] [1]), das ein Geschenk des Kurfürst August an seinen Jugendfreund 1558 war, lassen auch als Meister des Dresdner Stückes mit größter Wahrscheinlichkeit den Schöpfer des Wiener Stückes, den Plattner Hans Rosenberg aus Franken, später in Leipzig, seit etwa 1543 in Dresden, vermuten. (Ehrenthal, Zeitschr. f. hist. Waffenk. 1, 107; 3, 33; Gurlitt a. a. O. 46.) Doch ist das Wiener Stück wie das ihm verwandte in Paris (Katalog Robert G 16, Album Niox Pl. 12) sowohl sorgfältiger in den Einzelheiten der Plattnerarbeit, wie reicher in der hier vergoldeten Ätzmalerei, übrigens auch besser erhalten. Die Pariser Zeuge – denn das Musée de l’Armée besitzt noch ein zweites, fast gleiches – gelten als Geschenke des Kurfürsten an Maximilian II., die erst später nach Paris gelangt sind. Die Verwechslung Rosenbergers mit Rockenberger, von Gurlitt begonnen, von Boeheim[ER 2] aufgenommen, ist auch in das verdienstvolle Werk von Niox übergegangen. Die (hier nicht mit abgebildete) rechtseitige Achselverstärkung zeigt die gleiche Ätzung wie das Zeug, die Dilgen (Streiftartschen) dagegen sind zwar geriffelt, aber ganz blank. – Das Zeug dürfte also um 1550–1560 im Auftrag des Kurfürsten geschlagen worden sein. (FHM. C 4.)

Errata

  1. statt „Bocheim“ lies „Boeheim“ (siehe Druckfehlerberichtigung)
  2. statt „Bocheim“ lies „Boeheim“ (siehe Druckfehlerberichtigung)
Empfohlene Zitierweise:
Erich Haenel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1923, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Haenel_Kostbare_Waffen.pdf/26&oldid=- (Version vom 6.1.2019)