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meinem Käfig aus und warf mich in berechtigter Wut auf meine Pritsche, auf Gott und die Welt schimpfend.

Da, am Dienstag früh, kam mein Hüter wirklich freudestrahlend zu mir mit der frohen Botschaft: „Sie werden heute entlassen.“ Rasch packte ich meine Habseligkeiten und um 8 Uhr schon wurde ich vorgeführt und mir meine Entlassung infolge meiner Beschwerde offiziell verkündet. Nach einem herzlichen Abschied von meinen Logiswirten richtete ich meine Schritte der Heimat zu.

Auf halbem Wege, in der Nähe des Galgenbergs, begrüßte mich ein frohes Jauchzen. Es waren meine Leidens-, meine Parteigenossen, die gleichfalls entlassen und von meiner Entlassung Kenntnis hatten. Sie waren mir entgegen gepilgert.

Da gabs ein freudiges Begrüßen und Händeschütteln. Alle waren munter und frohen Mutes, wenn auch etwas bleich durch die lange Haft. Meine Beschwerde hatte ihre Wirkung getan, wir wurden alle auf freien Fuß gesetzt.

Die Neulinge, um die es mir bang war, hatten sich alle brav gehalten. Auch der Kemütliche war nach und nach wieder zu Vernunft gekommen und hatte seine Dummheiten wieder gut gemacht und das ging so zu. Genosse W. war wirklich von Hirschberg in Schlesien per Schub, auf die scheußlichste Weise, nach Heilbronn verbracht worden, trotzdem in Hirschberg angeboten wurde, ihn mit Zivilkommissär auf eigene Kosten nach hier zu verbringen. Tagsüber im Gefangenenwagen, des Abends, wie der größte Verbrecher, geschlossen nach dem Arrest der betreffenden Stadt, in der Frühe wieder geschlossen zur Bahn. Einmal

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Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)