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Nun war dort natürlich Feuer im Dach. Die ganze Schutzmannschaft wurde gegen die Missetäter aufgeboten. Zuerst wurde meine Wohnung besetzt, die übrige Schutzmannschaft schwärmte nach allen Richtungen, um die Frevler zu fangen. Der Herr Polizeiwachtmeister Kaiser beteiligte sich sogar in höchst eigener Person an diesem Fang und ihm wäre beinahe etwas derartiges geglückt.

Trotz der Ratschläge, nach der Verbreitung nicht mehr zusammenzukommen, hatten vier der Verbreiter sich auf Verabredung wieder getroffen und wollten nun die Wirkung ihrer Tätigkeit auf die Polizei beobachten. Diese vier Unglücksmenschen liefen dem gestrengen Kaiser in die Hände, der in ihnen, da er einen davon wiederholt mit mir in Gesellschaft sah, sofort die Attentäter witterte und alle vier nach der Polizeiwache zur körperlichen Untersuchung verbrachte.

Auf dem kurzen Wege dorthin, während der Gestrenge gravitätisch neben ihnen marschierte, entledigten sie sich noch einiger in ihrem Besitz befindlicher Flugblätter, sowie verschiedener Nummern des „Sozialdemokrat“, indem sie die Sachen einfach, ohne daß der Gravitätische es bemerkte, hinter sich zu Boden fallen ließen und kamen so völlig hasenrein auf der Wachtstube an. Nach hochnotpeinlicher, jedoch völlig resultatloser körperlicher Untersuchung und nachdem ihre Namen und Wohnungen festgestellt waren, wurden sie jedoch entlassen. Kurz darauf kam ein Schutzmann den gleichen Weg gegangen, sah die Bescherung und sammelte sie, um sie ebenfalls aufs Wachtzimmer zu bringen. Das Gesicht des gestrengen Wachtmeisters soll ein sehr langes geworden sein, als

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Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)