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gegen ihn ins Exil getrieben, er schüttelte den Reichsstaub von seinen Pantoffeln und ging anfangs 1879 nach London. Er saß während der Attentatshetze, während der Reichstagsauflösung, während der Beratung und Annahme des Schandgesetzes, in Plötzensee, dem bekannten Berliner Gefängnis und büßte eine 1½jährige Gefängnisstrafe ab, die ihm unsere „Freunde“, die bekanntlich keine Klassenjustiz treiben, wegen einer in einer Volksversammlung gemachten Aeußerung aufdiktiert hatten. Nach Verbüßung dieser Strafe hatte er nochmals sechs Monate auf dem Kerbholz, was ihn veranlaßte, nach seiner Entlassung aus Plötzensee der deutschen Justiz den Rest zu schenken, der deutschen Freiheit zu entsagen und dafür in London seine Freiheit, die Most’sche „Freiheit“[ws 1] zu gründen. Diese Most’sche „Freiheit“ wurde hauptsächlich nach Deutschland geschmuggelt und war tatsächlich einige zeitlang im Anfang des Sozialistengesetzes das einzige wirkliche sozialdemokratische Blatt, das in schärfster Weise Bismarck und seine Mamelucken bekämpfte. Kein Wunder, daß die Parteigenossen Deutschlands nicht nur Abonnenten der „Freiheit“ wurden, sondern dieselbe auch noch eifrigst verbreiteten.

Unsere deutsche Parteileitung, die trotz Schandgesetz im geheimen immer noch bestand, ging nicht sofort mit der Schaffung eines im Ausland erscheinenden Zentralorgans vor, weil sie erst den Versuch machen wollte, ob es nicht möglich wäre, auch unter dem Schandgesetz in Deutschland in allergemäßigtster Form eine Presse zum Zusammenhalt der Parteigenossen zu schaffen. Alle diesbezüglichen Versuche schlugen fehl, die Polizei

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)