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noch weitere Räume im Besitz? Die zögernde Antwort: „Ja, eine Kammer“.

Hinauf, weiter gründlich gesucht, gleichfalls vergeblich. Der Beamte stupft mit seinem Stock nach der Kiste. Der erbitterte Hausherr protestiert mit der Bemerkung: „Diese Kammer gehört mir, hier haben Sie nichts zu suchen!“

Es werden noch unter dem Protest des Hausherrn eine Reihe Ziegel auf dem Vorplatz durchstöbert und die nahezu vierstündige Haussuchung ist auch wieder beendet. Resultat: Nichts.

Um nicht mit vollständig leeren Händen abzuziehen, wird eine Anzahl Broschüren und Zeitungen, trotz Protestes, trotz Hinweis darauf, daß diese Broschüren mein Eigentum sind, schon wiederholt beschlagnahmt wurden, aber immer wieder herausgegeben werden mußten, mitgenommen, nachdem das übliche Verzeichnis darüber aufgestellt, unterzeichnet und mir ausgehändigt war.

Das war die denkwürdigste der vielen von mir erlebten Haussuchungen. Sie endete mit der weiteren Eröffnung des Beamten, daß er den Auftrag habe, mich der Kgl. Staatsanwaltschaft vorzuführen. Ich kleidete mich rasch an und folgte dem Beamten, nachdem ich meine Frau und Kinder beruhigt hatte.

Im Gerichtsgebäude angekommen, fand ich bereits einen Genossen vor, einen Schlosser, der zwischen zwei Schutzleuten vor der Türe des Staatsanwalts postiert war.

Mir ging sofort ein Licht auf! Man hat unsere Deckadressen erwischt, sagte ich mir. Dieser Schlosser ist Deckadresse, mein Schwager gleichfalls, es kann nicht anders sein und so war es auch.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)