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gelesen. Ich war der Expedient davon und ausgelesene Nummern wurden regelmäßig, mit Rotstrichen versehen, unter Kuvert an hiesige Richter oder Polizeigrößen versandt. Der richtige Empfang der Zusendungen wurde im Anfang durch ergebnislose Haussuchungen quittiert, denen wir schmunzelnd und mit verschränkten Armen beiwohnten, die Suchenden um die Liebenswürdigkeiten, mit denen sie von unseren besseren Hälften bedacht wurden, beneidend.

Dieser Kampf machte die Herren der Situation so nervös, daß sie uns und das prächtige Gesetz zum Teufel wünschten, ja sogar flehentlich baten, nicht mehr bei Haussuchungen mitwirken zu müssen.

„Vater, du sollst gleich heimkommen, Männer sind daheim und suchen alles aus“. Weinend sprach diese Worte mein achtjähriges Töchterchen am Ostersamstag 1881 kurz nach 7 Uhr vormittags in meiner Werkstatt.

Einen Begriff von der Wirkung dieser Worte auf mich kann man sich machen, wenn man weiß, daß ich nicht weniger denn 6000 Flugblätter in meiner Wohnung hatte, zur Verbreitung, mit dem Titel „An das deutsche Volk“.

Den Schurz hinweg, den Rock an und fort flog ich, mehr als ich ging, meiner Wohnung zu.

Ja, sie waren wieder da, sie suchten wieder zum so und sovielten Male. „Was geht hier in meiner Abwesenheit vor?“ herrschte ich den Beamten an. „Wir sind von der Kgl. Staatsanwaltschaft beauftragt, in der Wohnung des W. R. Haussuchung vorzunehmen.“ „Warum werde ich hievon nicht benachrichtigt? Diese Wohnung gehört mir!

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)