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des Werkes war ihm so manches unverständlich. Ihm, mit seiner geringen Dorfvolksschulbildung, waren die einfachsten, klarsten Sätze teilweise unverständlich. Dagegen war er in der biblischen Geschichte bewandert, konnte den Katechismus, das Spruchbuch und die Gesangbuchlieder fast auswendig, ein Beweis seiner Intelligenz. Ein Beweis aber auch dafür, in welcher Weise sich bisher und heute noch Staat und Kirche an der Schulbildung der Jugend, besonders der Volkschuljugend versündigt.

Nach der Belehrung meines Erligheimers nahm ich Schlossers Weltgeschichte wieder vor und es herrschte Kirchhofruhe in unseren Mauern, die nur von Zeit zu Zeit durch weitere Fragen Erligheimers, über ihm nicht Verständliches, wozu ich ganz besonders aufgefordert hatte, unterbrochen wurde.

Wieder flogen die Stunden nur so vorüber und uns beiden zu rasch kam die Abendmahlzeit, die dampfende köstlich duftende Wassersuppe, die ich diesmal fast vollständig verspeiste.

Nach dieser Abendmahlzeit begannen wir eine fast zweistündige Wanderung in unserer Zelle, wir waren durch das lange Sitzen etwas krämpfig geworden, um dann unsere Lagerstatt aufzusuchen.

Ich schlief bald, die Reaktion nach der Aufregung der letzten Tage machte sich geltend und schlief bis gegen 4 Uhr in der Früh, wo ich dann durch unsere Gardinen dem erwachenden Vogelgesang lauschte und soviel wie möglich frische Morgenluft schöpfte.

Mit dem Frühstück kam auch pünktlich mein Korb, samt Grüßen von Frau, Kindern, Isak und verschiedenen Parteigenossen, die sich nach meiner

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Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/36&oldid=- (Version vom 1.8.2018)