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auch in seinem Fall wegen einer Kleinigkeit ein junges Menschenleben vernichtet wurde.

Er verteidigte sich damit, daß die Andern auch gestochen hätten, versprach jedoch, nie mehr in seinem Leben bei Händel zum Messer zu greifen. Das Versprechen hat er, wie ich 12 Jahre später erfuhr, treulich gehalten.

Seine sechs Monate Gefängnis bekam er in der Verhandlung richtig weg, später jedoch, trotz Verbüßung derselben, bekam er auch seine Lisbeth zur Frau und ich traf ihn 1890 anläßlich einer Wählerversammlung in Erligheim als wohlbestallten Familienvater und guten Parteigenossen gesund und munter wieder.

Nach dieser Exkursion auf dem Gebiete der Strafrechtspflege wurden die Werke von Kolb und Schlosser in Angriff genommen. Erligheim bekam zuerst die leichter faßliche Kulturgeschichte von Kolb, während ich mich mit Schlosser beschäftigte. Doch nicht lange mehr, denn wieder rasselten unsere Riegel und Schlösser. Ich hoffte schon vorgeführt zu werden, täuschte mich jedoch, es war Mittag geworden und wir wunderten uns darüber, wie rasch die Stunden beim Lesen vergangen waren. Auf Befragen erhielt ich die Auskunft, daß ich heute schwerlich vom Untersuchungsrichter vernommen würde, sicher aber morgen.

Nach Tisch legte ich mich etwas nieder und schlief eine gute Stunde den Schlaf des Gerechten. Neugestärkt und belebt erwachte ich, Erligheim saß an seinem alten Platz und las, er konnte gar nicht satt werden. Sofort bestürmte er mich mit Fragen über das Gelesene. Trotz der populären Sprache

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)