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Unser Wasserkrug wurde auch mitgenommen und frisch gefüllt zurückgebracht. Mein Erligheimer nahm die Fußbodenreinigung vor und dann erschien unser Frühstück in Gestalt einer dampfenden gutriechenden Wassersuppe, gleichzeitig aber auch mein Marktkorb, sowie ein großes Paket mit Büchern und Zeitungen.

Christian teilte mir mit, meine Frau sei unten, sie lasse mich schön grüßen und ich solle mir keine Sorgen machen, die Parteigenossen, besonders Isak würden schon für uns und unsere Kinder sorgen. Isak sei gestern noch beim Herrn Untersuchungsrichter gewesen, um meine Freilassung gegen Kaution zu ermöglichen und um die Erlaubnis zu erwirken, mir Bücher und Zeitschriften zustellen zu dürfen. Letzteres sei ihm gestattet worden, nur seien sozialdemokratische Bücher und Zeitungen ausgeschlossen. Was meine Freilassung gegen Kaution anlange, so habe er allein nicht darüber zu entscheiden, doch sei sie immerhin möglich, es müsse eben ein diesbezüglicher Antrag gestellt werden und Isak besorge heute das Weitere.

Dies waren frohe Botschaften und mit frischem Mut ging es ans Auspacken. Zuerst kam das Paket an die Reihe. Es enthielt Schlossers[ws 1] Welt- und Kolbs[ws 2] Kulturgeschichte, das Strafgesetzbuch, sowie die Strafprozeßordnung, das Preßgesetz und einige Zeitungen, worunter auch die liebe Neckarzeitung, die mir wie immer, diesmal jedoch besonders verdächtig vorkam, weshalb ich sie sofort einer genauen Besichtigung unterzog und richtig, die Zeitung, die ich in Händen hatte, war dem Kopf nach die Neckarzeitung, in Wirklichkeit jedoch unser Parteiblatt, die „Süddeutsche Volkszeitung“.

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)