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Die Klappe wurde wieder von außen geschlossen, wobei uns eine Stimme gute Nacht wünschte, das Abservieren wurde immer am Morgen mit dem „Honighafen“leeren besorgt, gewiß eine appetitliche Verbindung zweier notwendiger Verrichtungen. Dieses „Gute Nacht“ wünschen war für gewöhnlich das Zeichen des Feierabends insofern, als wir von jetzt ab bis zum andern Morgen nicht mehr gestört wurden.

Mein neuer Zimmergenosse, der eifrigst mit seiner Wassersuppe beschäftigt war, teilte mir dies, wie alles mich Interessierende, sofort mit und forderte mich gleichzeitig gutmütig auf, mein Nachtmahl einzunehmen.

„Essetse doch ihr Suppa, ehse kalt werd, sie isch net schlecht.“

Und wirklich, sie duftete nicht übel und da ich ohnedies ein Freund von mit gebräunten Zwiebeln abgeschmelzten Suppen bin, so versuchte ich die meinige und der Geschmack derselben machte dem Namen unseres Gastgebers, der Koch hieß, alle Ehre.

Aber selbst die beste Wassersuppe konnte in dieser Umgebung nicht munden. Ein Blick auf unsere appetitlichen Wände und ich legte den Löffel weg, indem ich meinen Tischgenossen bat, doch auch meine Portion zu essen, welcher Bitte er auch mit Behagen entsprach. In dem Gebäude selbst war mittlerweile vollständige Ruhe eingetreten, doch kaum war unsere Mahlzeit beendet, als wieder Schritte auf unserem Gang hörbar wurden und zwar in der Richtung zu uns. Der Schlüsselbund klirrte, Riegel und Schlösser knarrten und zwar diesmal an beiden Türen.

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Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)