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noch während meines unfreiwilligen Aufenthalts vorgenommen und bestand darin, daß die Wände frisch geweißnet, hernach auf den Fußboden einige Kübel Wasser geleert und mit dem Schrupper hinausgebürstet, sowie das Stroh in Kopfpolster und Strohsack erneuert und die Teppiche geklopft wurden.

Immerhin sah der Käfig nachher etwas reinlicher und appetitlicher aus und roch etwas besser. Einmal jede Woche wurde auch große Lüftung vorgenommen, immer Sonntags nach dem Diner. Da wurden alle Türen und Fenster eine ganze halbe Stunde lang geöffnet und wir durften während dieser langen Zeit im Gänsemarsch, darauf wurde streng gesehen, im Gefängnisgarten, pardon, Gefängnishof, spazieren gehen, unser einziges, gewiß bescheidenes Sonntagsvergnügen.

Wo anders hat man, wie wir später sehen werden, selbst das nicht. Wie dehnten sich die Nasenflügel, wie weitete sich die Lunge in der frischen Luft, jetzt erst fühlte man so recht, was man die ganze Woche hindurch hauptsächlich hatte entbehren müssen.

Nur zu rasch war unsere lange halbe Stunde rum, im Gänsemarsch wie bisher, gings wieder zurück in unsere Zellen.

Nun duftete das ganze Gebäude nach der schlechten Zellenluft. Dieselbe hatte sich durch die großen Türen in den Mittelgang verzogen, auf den die Türen rechts und links mündeten.

Nicht lange währte es, nachdem unsere Türen wieder sorgfältig von außen zugemacht waren und mein Unglücksgenosse, der Unglücksmensch mußte den „Honighafen“ benützen. Da hatten

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)