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Ein geheimes Grauen erfaßte mich bei dem Gedanken, daß man hier gezwungen war, die intimste Verrichtung vor wildfremden Menschen zu vollziehen. Ich bin nicht prüde, aber dies ging mir denn doch über die Hutschnur.

Ob wohl Fürst Philipp zu Eulenburg[ws 1] vor seiner „schweren Erkrankung“ auch solch schöne Einrichtung kennen gelernt hat und gezwungen wurde, sie zu benützen? Sieht man denn maßgebenden Orts nicht ein, welche Tortur es für den halbwegs Feinfühlenden bedeutet, solche Verrichtungen vor den Augen und Ohren eines Fremden zu vollziehen? wenn nicht, dann treffen meine obigen diesbezüglichen Ausführungen ins Schwarze.

Während der Vorstellung, die nun begann und die ich besorgen mußte, mein Leidensgenosse, ein 24jähriger Bauernbursche aus Erligheim, wegen Messerstecherei in Untersuchungshaft, hatte von so was keine Ahnung, betrachtete ich meinen neuen Aufenthaltsort etwas genauer. Die Zelle ist etwa 12 Schritte lang, 8 Schritte breit und gut 4 Meter hoch. Dieser Raum wird spärlich beleuchtet von einem etwa 1 Meter hohen und 1 Meter breiten Fenster, das in der rechten Ecke der Zelle in zirka 2½ Meter Höhe angebracht ist und kann mittels Besteigen des Tisches notdürftig mit der Nase erreicht werden.

Gelüftet wird der Raum durch ein Viertel der Fenstergröße, das seitlich hinter das Andere geschoben wird. Zweidrittel des Tages lag auch noch die Sonne auf diesem kleinen Luftloch, sodaß die verpestete Innenluft nicht abziehen konnte.

So sah mein neues unfreiwilliges Domizil in

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Philipp zu Eulenburg (1847–1921)
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)