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hohe Richterstelle einnimmt, der sich zu dieser Vergewaltigung hergab, ist sehr bezeichnend. Bezeichnend für die Intelligenz seiner Wähler ist aber auch, daß er trotzdem heute noch das Reichs- und ein Landtagsmandat besitzt.

Das Zentrum hat sich bei dieser Gelegenheit, wie in den letzten vorhergehenden Jahren, besonders geraucht. Es hat nicht nur diesem Tarif in allen Teilen zugestimmt, sondern auch die Vergewaltigung der Minderheit mit durchführen helfen. Dafür haben diese schwarzen Vögel, wie sie einst Hasenklever richtig nannte, den Wählern einen Wechsel auf die Zukunft ausgestellt, in Form einer Witwen- und Waisenversicherung, auf die der Schlußrefrain eines Couplets ganz gut paßt: „Da hört man gar nichts mehr.“[ws 1] Ernst war es dieser Heuchlergesellschaft ohnedies nicht mit diesem Antrag. Sie brauchte ihn nur, um ihre schofle Handlungsweise damit zu bemänteln.

So lagen die Dinge kurz vor den Reichstagswahlen 1903 und wir brannten förmlich darauf, bei diesen Wahlen die Quittung hiefür auszustellen.

Der Wahlkampf von 1903 rückte heran und mit Feuereifer gingen wir in diesen Kampf in unserem Wahlkreis. Von unserer Seite kandidierte wieder unser alter Kandidat, unser Gemeinderat.

Die Volkspartei hoffte mit ihrem Landtagsabgeordneten und Gemeinderat B. ihre alte Position wieder zu erobern; die Deutsche Partei hatte in der Person eines biederen Flaschnermeisters, gleichfalls Gemeinderat, ihren Kandidaten gefunden. Das Zentrum stellte als Zählkandidaten wie bisher den durch seinen im Reichstag 1902 gestellten Vergewaltigungsantrag berüchtigten Gröber auf.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Und dann wird’s still! von Otto Reutter (1870–1931)
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/141&oldid=- (Version vom 1.8.2018)