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kräftig mitgewirkt hat. Gegner waren die Sozialdemokraten, Freisinnige und Volksparteiler.

Diese Parteien verlangten, daß bei den bevorstehenden Reichstagswahlen das Volk, die Wähler, über diesen Tarif entscheiden sollen. Letzteres fürchteten gerade die Tarifanhänger und nicht mit Unrecht. Es lag klar auf der Hand, daß die Wähler einem Kandidaten ihre Stimme nicht geben würden, der für eine bedeutende Erhöhung des Brot- und Fleischpreises, sowie des Preises einer ganzen Reihe anderer notwendiger Verbrauchsartikel, im Reichstag zu haben war.

Und das brachte der neue Zolltarif in erster Linie. Also unter keinen Umständen Entscheidung durch die Wahlen, sondern Entscheidung vor den Wahlen, lautete die Parole der Mehrheit. Um dieses Ziel noch vor Reichstagsschluß zu erreichen, scheuten sie vor keinem Mittel zurück, war ihnen jedes Mittel recht. Von einer sachlichen Beratung dieses Gesetzes war keine Rede mehr, der Opposition wurde nicht nur bei jedem diesbezüglichen Versuch das Wort abgeschnitten, sondern unter Rechtsbruch wurde die Geschäftsordnung des Reichstags geändert und als dadurch die Minderheit immer noch nicht niedergerungen war, folgte die Stellung und Annahme des berüchtigten Antrags Gröber,[ws 1] bekanntlich ein Bewohner unserer Stadt, der die Diktatur des Präsidenten bei Erteilung des Wortes zur Geschäftsordnung einführte und die Beschränkung der Redezeit hiebei auf fünf Minuten festsetzte.

Hierdurch war die Vergewaltigung der Minderheit erreicht, aber hiefür auch die Würde des Reichstags geopfert. Daß es gerade einer der schwarzen Brüder ist, der im Nebenamt hier eine

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Adolf Gröber (1854–1919)
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/140&oldid=- (Version vom 1.8.2018)