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aus sicherem Hinterhalt auf einen friedlichen Greis eine Schrotflinte abzufeuern? Was ihn zu seinem freventlichen Tun veranlaßte, wird nie aufgeklärt werden, da er gleich nach der Tat Hand an sich legte und sich tödlich verwundete. Soviel konnte jedoch festgestellt werden, daß er den sogenannten besseren Kreisen angehörte, bei der nationalliberalen Partei war und in Dresden die Sozialdemokratie in öffentlicher Versammlung bekämpft hatte. Trotz dieser unumstößlichen Tatsachen machte man die Sozialdemokratie für dessen Tun verantwortlich, schuf man ein Knebelgesetz für diese große Partei, so recht bezeichnend für die bürgerlichen Parteien und deren Herrn und Meister Bismarck.

Unserem zweifellos auch aus dem Reptilienfonds gefütterten Scherenschnell kam das zweite Attentat wie gerufen. Jetzt konnte er nicht nur seine Rache befriedigen für die wohlverdiente moralische Tracht Prügel, die er in unserer Versammlung erhalten, sondern auch so recht seinem innersten Herzenstrieb, uns zu beschimpfen und zu verleumden, folgen, ohne befürchten zu müssen, dafür wieder in öffentlicher Versammlung geprügelt zu werden.

Hatte er es das erste mal schon toll getrieben, so trieb er es jetzt noch toller. Kübelweise wurden die Schmähungen über uns ausgegossen, das Lügen verstand Scherenschnell so meisterhaft wie sein Meister. Unser Versuch, abermals in einer Volksversammlung Abrechnung zu halten, schlug fehl. Alle Saal- und sonstigen Türen waren uns verschlossen. Niemand hatte bei der Hetze den Mut, uns seine Lokalitäten zur Verfügung zu stellen. Es blieb uns nur noch ein Weg, dies

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Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)