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unnötige Maßregel, die in der Stadt allgemeine Erbitterung hervorrief.

Eine große Anzahl von Verhaftungen, zwischen 30 und 40, waren vorgenommen worden, aber nicht ein einziges Partei- oder Gewerkschaftsmitglied war unter denselben. Neugierige waren es meistens, die sehen wollten was los ist und die teilweise kaum den Marktplatz betreten hatten, als sie auch schon von der Polizei ergriffen und aufs Wachtzimmer geschleppt wurden.

So endete dieser Stichwahltag nicht nur mit einem Triumph, sondern auch mit einem Skandal Kegelmaiers. Nun, unsere gute Stadt war in den letzten Jahren derartige Skandale nachgerade gewöhnt geworden. Auch der Triumph Kegelmaiers war nichts anderes denn ein Skandal.

Wer war nun der Urheber dieser zweiten Ansammlung, dieses Skandals? Kein anderer als Kegelmaier und sein Anhang. Wären diese Herren mit ihren Champagnerräuschen in der „Harmonie“ geblieben, statt ostentativ auf den Marktplatz zu marschieren, so hätte Heilbronn noch heute auf diesen Skandal zu warten. Daß die Herren teils besoffen waren, geht aus der Tatsache hervor, daß sie sich auf dem Marktplatz selbst verprügelten, so der Schultheiß von Abstatt und der von Heilbronn. Oder hätte sich der Neugewählte früher ins Bett gelegt, um seinen Rausch auszuschlafen, statt die Feuerwehrleute zu alarmieren und zum Spritzen auf gaffende Leute zu mißbrauchen, dann wäre es keinem Menschen eingefallen, mit Steinen zu werfen. Der ganze Wahlkrawall wäre unterblieben.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)