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indem er dem Reichen, der sich mit der Frage an ihn wandte: „Herr, was soll ich tun, um in das Himmelreich zu kommen“, zur Antwort gab: „Verkaufe alles was du hast und gib’s den Armen und komm’ und folge mir nach.“

Für die Armen wollte er im Diesseits sorgen, das geht aus obigen Worten klar hervor. Seine Nachfolger aber vertrösten diese Armen auf ein besseres Jenseits nach dem Tode und lassen sie im Diesseits verhungern. Wollte das Jesus Christus? Wie wird eine seiner Fundamentalforderungen in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft praktisch betätigt, die Forderung: „Liebet Euch untereinander“?

Da die Nüsse, auch für die guten Zähne des Dr. W., ziemlich hart zum knacken waren, die Zeit auch weit vorgeschritten war, wurde von unseren Gegnern vorgeschlagen, die Diskussion an einem der nächsten Sonntage fortzusetzen, womit wir uns einverstanden erklärten, unseren Gegnern auch die Anberaumung der Versammlung bereitwilligst überlassend.

Vierzehn Tage später, an einem prächtigen Sonntag nachmittag, war Fortsetzung im Saale der jetzigen Rosenau, dem damaligen Sauter’schen Gartensaal. Nicht nur der geräumige Saal war überfüllt, sondern eine fast gleichgroße Zahl Zuhörer war vor den geöffneten Fenstern postiert, um den Ausführungen zu lauschen. Die Herren Geistlichen waren ordentlich neidig ob der imposanten Zuhörerschaft, denn in ihren Kirchen sah es gewöhnlich viel leerer aus.

Zunächst legte Dr. W. los. Seine Antwort auf die von uns gestellten Fragen war, wie nicht

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Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/110&oldid=- (Version vom 1.8.2018)