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sich höchst reizvoll berührende Form „weder – weder“ zu gebrauchen. Ich will, meine verehrten Damen und Herrn, ganz auf den wohlfeilen Hinweis verzichten, daß der Genius stets seine ureigensten Bahnen wandelt, und daß es daher gar nicht überraschen könnte, wenn er ganz grundsätzlich und bei jeder Gelegenheit sich in Widerspruch mit der gemeinen Normalgrammatik setzen würde. Allein, wie gesagt, die begeisternde Wahrheit der schrankenlosen Abnormität des Genius ist ja uns allen so gegenwärtig, daß sie keiner näheren Beleuchtung bedarf. Vielmehr möchte ich zeigen, daß dieser allgemeinen Tatsache, die den Genius nur negativ von uns minderwertigen Sterblichen unterscheidet, in jenem besonderen Falle der Abweichung auch sehr positive Rechtfertigungen zur Seite stehen, und zwar in Hülle und Fülle. Ich maße mir nicht an, diese Fülle der positiven Rechtfertigungen zu erschöpfen: würden doch meine bescheidenen Kräfte hierfür ebenso wenig ausreichen als Ihre eigene physische Ausdauer. Aber ich hoffe, meine verehrten Damen und Herrn, daß meine Ausführungen Ihnen das freudige Bewußtsein von jener unbeirrbar elementaren Treffsicherheit unseres Meisters geben werden, die sich ausspricht in seinem herrlichen Wort:

„Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt;“

oder vielleicht noch bezeichnender in der Gedichtstelle

„Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg.“

Nach diesen notwendigen Vorbemerkungen trete ich meinem Thema mit der bewährten Sonde der literar-ästhetischen Forschung näher und frage:

Empfohlene Zitierweise:
Hanns von Gumppenberg: Das teutsche Dichterroß. Callwey Verlag, München 1929, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gumppenberg_Dichterross_0148.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)