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Es kauern Herzen dort im Bücherspinde,
Verweint, verschwollen, dann in bleicher Weißglut
Des Leids gedorrt .. ach ja – ich wollte lesen!
Ich hol’ mir so ein Herz. Es bricht und platzt

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Hier auf dem Tisch – verstocktes und verstaubtes

Urväterblut verstreut sich auf die Platte,
Wie einer hundertjährigen Blutwurst Füllung,
Wie dunkelroter Schnupftabak. Die Luft
Wächst eng – ich ginge lieber. Doch da hockt

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Ein gelbverschrumpfter alter Schmöker, bohrt

Pupillenleer mich an, und drosselt mich!
Er möchte, daß ich eine Träne träufle –
Und alle Kauerherzen in den Spinden,
Sie möchten, daß ich endlich Tränen träufle.


nach Maximilian Dauthendey

Empfohlene Zitierweise:
Hanns von Gumppenberg: Das teutsche Dichterroß. Callwey Verlag, München 1929, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gumppenberg_Dichterross_0088.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)