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 BALLADE

Das ist der alte, traurige Traum,
     Wir sitzen unter der Linde,
Dein kahles Köpfchen faßt es kaum,
     Daß ich so hold dich finde.

5
Und leise seufzt dein wurmiger Mund:

     Ich bin doch schon angemodert –
O sage mir, warum jetzund
     Dein krankes Herz noch lodert?

Es haben von meinen Wangen bereits

10
     Zwei hungrige Ratten gefressen:

Und du, du willst mich deinerseits
     Noch immer nicht vergessen?

O sag’ mir, bleicher Heinerich,
     Ich bin doch im Grab gelegen,

15
Und doch noch immer liebst du mich –

     Ich frage dich: weswegen?

Und ich entgegne dir gequält:
     Mir fehlen zum Buch der Lieder
Noch sieben Nummern wohlgezählt –

20
     Drum lieb’ ich dich schon wieder.


nach Heinrich Heine

Empfohlene Zitierweise:
Hanns von Gumppenberg: Das teutsche Dichterroß. Callwey Verlag, München 1929, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gumppenberg_Dichterross_0025.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)