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also wiederum Beljajew und Felitschkin, mögen gehofft haben, daß es sich um einen zeitweiligen Putsch handelte, denn sie verheimlichten die Nachricht, so lange sie sich verheimlichen ließ, aber schließlich mußte man doch mit der außerordentlich unangenehmen Wahrheit herausrücken, und nun waren die goldenen Tage des Hauptquartiers zu Ende. Statt der glänzenden Herren vom Stabe und von der Garde gab nun den Ton der Soldat an, der Arm in Arm mit dem Arbeiter einherging und von der Errichtung des Zukunftsstaates nicht nur träumte, sondern ihn auch praktisch ins Leben zu rufen trachtete.

Das geschah zunächst in der Weise, daß der Soldat die Disziplin und sonstige Dinge, die ihn in der freien Entfaltung seines Menschentums behindern konnten, abschaffte, wie etwa die täglichen Exerzitien und ähnlichen Firlefanz, der des Zukunftsstaates auf der Grundlage des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts unwürdig gewesen wäre. Die Herren vom Hauptquartier hatten nun böse Stunden zu durchleben; freilich wurden sie nicht, wie das an anderen Orten geschehen ist, entwaffnet, auch wurden sie nicht an Leib und Leben geschädigt, aber man nahm ihnen einen beträchtlichen Teil ihrer Gewalt; mit dürren Worten, der Stab und das Generalkommando durften nur dann verfügen, wenn sie sich vorher mit dem ausführenden Komitee des Soldatenrates, dem „Iskosol“, in Verbindung gesetzt und dieser seine Genehmigung zu dieser oder jener Maßnahme erteilt hatte. Die eigentlichen Herren der Situation waren also nunmehr nicht etwa General Radko Dmitriew und seine Gehilfen, sondern die Leute vom Iskosol, Soldaten, vorzugsweise jüdischer Nationalität, die im Zivilverhältnis Juristen gewesen waren.

Die wesentliche Sorge der bisherigen Gewalthaber war nunmehr darauf gerichtet, diesem fatalen Geruche zu entgehen, die Herren vom Iskosol nicht zu vergrämen und sich überhaupt den neuen Verhältnissen, die ihnen natürlich

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)