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betreffend. Im Laufe eines langen Herbstes mußte man sich durch die finsteren Straßen nach Hause tappen, und es gab da eine Menge ergötzlicher, aber auch trauriger Zwischenfälle. Die kleinen Handlaternen, mit denen man sich bewaffnete, wenn man abends über die Straßen zu gehen hatte, waren eigentlich auch verboten, aber man duldete sie, nur dann und wann wurde irgendein altes Weiblein mit seinem Laternchen eingefangen und auf die Polizei geschleppt, von wo man es dann nach einer Vermahnung wieder entließ.

Schlimmer war es freilich, daß in der herrschenden Dunkelheit Kollisionen der durch die Stadt sausenden Kraftwagen an der Tagesordnung waren, und vom Felde eintreffende Ordonnanzen die Personen und Stellen, an die sie sich zu wenden hatten, oft stundenlang suchen mußten. Aber alle diese Lappalien kamen gegenüber den höheren Zwecken, die Felitschkin verfolgte, nicht in Betracht.

Der Oberst war eben nicht nur auf die Sittlichkeit von Armee und Bürgern bedacht, sondern er sorgte auch dafür, daß den bösen deutschen Fliegern das Zielen und Beobachten unmöglich gemacht oder doch erschwert wurde. Er hatte daher von seinem Standpunkte durchaus recht, als er im Herbste 1916 einen alten achtzigjährigen Juden, der sinnlos vor Schreck über die vom Zeppelin geworfenen Bomben mit der brennenden Lampe auf die Straße gestürzt war, einsperren ließ, weil der Mann seiner Ansicht nach den deutschen Zeppelinmännern Signale gegeben hatte. Der unglückliche Alte wurde erst nach achtmonatiger Einzelhaft und wiederholtem hochnotpeinlichem Verhör entlassen.

Am längsten bestand das Verbot von Konzerten und Theatervorstellungen, aber dann wurde auch dieses umgeworfen, und zwar von keinem Geringeren, als von dem direkten Vorgesetzten des Obersten Felitschkin, dem Stabschef des Generals Radko Dmitriew, General Beljajew, einem außerordentlich selbstherrlichen Kriegsmanne, der zur Zeit der

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/91&oldid=- (Version vom 1.8.2018)