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Hilfe man sich über die voraussichtlich nur kurz bemessene branntweinlose, schreckliche Zeit würde hinwegsetzen können.

Die Wein- und Bierinteressenten sahen ihren Weizen blühen und begannen alsbald eine gewaltige Propaganda in der Presse, die sich gern bereitfinden ließ, mit Hilfe von fachmännisch gebildeten und sonstigen Federn nachzuweisen, daß Bier und Wein absolut unschädliche Getränke seien und daß ihr Verbot die Winzerei und die Landwirtschaft zugrunde richten und dem Lande unermeßlichen Schaden zufügen würde. Dasselbe hatte man übrigens früher auch von dem Branntweinverbot gesagt.

Die Wein- und Bierquellen sprudelten also reichlich, und zudem konnte sich jedermann, der gewisse Beziehungen hatte, Branntwein in beliebigen Mengen verschaffen, denn wenn die Vorräte auch unter staatlichem Siegel standen, so bildete das weiter kein Hindernis, — ein Siegel ist eben kein Schloß, und der Polizeibeamte, der die Aufsicht zu führen hat, ist kein fühlloser Klotz, — er hat ein Einsehen, namentlich wenn er kraft dieses Einsehens seinen eigenen Bedarf decken und dazu noch in den Besitz eines Drei- oder Fünf-, wohl auch Zehnrubelscheines gelangen kann.

Man wußte sich also zu helfen, immerhin empfand man aber die Abwesenheit des Schnäpschens im Restaurant doch schwer genug; denn ein Schnaps, den man zu Hause nimmt, ist doch eigentlich nur ein halber Genuß; er gelangt erst dann zur vollen Geltung, wenn man mit guten Freunden vor dem Sakuskatisch steht, unter den vielen leckeren Dingen mit Verständnis wählt und dann das gut gekühlte Feuerwasser in die Kehle gießt. Das alles, die reichliche Sakuska, die richtige Temperierung und vor allem die guten Freunde kann man zu Hause natürlich nicht haben. Inde ira!

Fortan standen nun die gewaltigen Branntweinbrennereien des Landes still und sind während des ganzen Krieges nicht wieder in Betrieb gesetzt worden. Nur zu bald sollte auch die Bierbrauereien dasselbe traurige Schicksal

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)