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Zum Teufel ist der Spiritus!

Rußland ist durch ein unglückliches Mißverständnis in den bösen Ruf des Landes nicht der Trinker, sondern der Säufer par excellence gekommen, währenddessen ist es statistisch nachweisbar, daß der Kopfverbrauch von Alkohol in Rußland weit geringer ist, als in den weitaus meisten Ländern Westeuropas, selbst in solchen, die als notorisch nüchtern gelten.

Zu dem bösen Rufe unmäßigen Trinkens hat uns jedenfalls der Umstand verholfen, daß der gemeine Mann in Rußland nicht regelmäßig kleinere Quantitäten Alkohol zu sich nimmt, sondern daß er im allgemeinen selten trinkt, wenn er aber trinkt, dann kein Maß kennt und in den weitaus meisten Fällen alles versäuft, was er an Barmitteln bei sich hat, Kleider und Stiefel draufgehen läßt, wohl auch noch das eine oder andere Stück seines Hausrates in die Schenke trägt.

Der Russe ist also eine Art von Quartalssäufer, der unter einem unwiderstehlichen Zwange steht, und wenn der Paroxysmus vorüber, wochen- und selbst monatelang vollkommen enthaltsam sein kann, ohne daß er auch nur den geringsten Drang nach Alkohol verspürte. Dieser exzessive Alkoholmißbrauch ist übrigens nicht nur in der Bauernschaft und bei den Arbeitern zu finden, sondern er grassiert auch in den gebildeten Kreisen; es ist bekannt, daß zahlreiche Männer der Wissenschaft und noch mehr Künstler dem Alkoholteufel verfallen sind, der sie geistig und körperlich zugrunde richtet.

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/75&oldid=- (Version vom 1.8.2018)