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Wagen vorbehalten. Da jagten sie heran, diese prachtvollen Wagen mit ihren Insassen und den purpurrot livrierten Kutschern und Lakaien mit dem keck auf ein Ohr gerückten Zweispitz und den englisch glatt rasierten Gesichtern. Dann erstarrte der Newski und erstarrten die Polizisten aller Grade zu Salzsäulen, aber ihre Blicke flogen unruhig, denn wer mochte wohl wissen, was passieren konnte! Der kaiserliche Cortège brauste vorüber, verfolgt von den Hurrarufen der Menge, die hierzu von einigen tausend Spitzeln, die zu jeder Ausfahrt aufgeboten wurden, in unzweideutiger Weise animiert wurde.

Der Newski bekam wieder Leben, das in breitem Strome dahinfloß. In gewissen, streng vorgeschriebenen Zeiträumen erschienen die Hausknechte in ihrer wiederum streng vorgeschriebenen Tracht, und sie hatten dafür zu sorgen, daß kein Stäubchen auf der Straße lag. Der Newski und alle anderen Hauptstraßen blitzten und blinkten — dafür hatte die Polizei zu sorgen, und man muß ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen: sie tat ihr Bestes. Freilich mußte ihre Allgewalt versagen, wenn es vom Himmel herabrieselte, oder wenn Tauwetter einsetzte und der schwammige Sumpfboden das allzureichliche Naß nicht aufzusaugen vermochte. Dann half alles Fluchen und Wettern der hohen Polizei nichts, gegen die entfesselte Naturgewalt vermochte sie nicht aufzukommen und man mußte es sich schon gefallen lassen, daß man von den kotschleudernden Gummirädern einer herrschaftlichen Equipage in einen wenig appetitlichen, geflecktn Leoparden verwandelt wurde. Doch war das nur die Ausnahme, während die Regel eben die Blitzblänke war, die von der Revolution endgültig abgeschafft worden ist.

Wer heute den Newski betritt, in dem wird vor allen Dingen der Glaube erweckt, daß alle Birkenwälder des Landes, die früher die Kehrbesen lieferten, ausgerottet seien. An das Kehren der Straßen denkt eben heute niemand mehr. Polizei, die darauf bestehen könnte, gibt es ja im freien

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)