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wurde, von vornherein gefaßt machen, dafür blieb uns aber der Trost, daß man im unendlich reichen Rußland „natürlich“ nie in die Lage kommen würde, den Hungerriemen fester anziehen zu müssen, wie das in Deutschland gleich bei Beginn des Krieges geschehen war. Die Blätter berichteten denn auch fortwährend von der in Deutschland herrschenden Knappheit, und sie konnten sich nicht genug tun in ätzenden Witzen über das deutsche kk-Brot und andere Surrogate, deren Verwendung sichere Gewähr dafür zu sein schien, daß Deutschland denn doch nicht würde durchhalten können, während Rußland nicht nur selbst schwelgen, sondern von seinem Überflusse auch noch seinen Verbündeten reichlich und überreichlich abgeben würde.

Die Verteuerung der Fabrikate ließ denn auch nicht lange auf sich warten; so lange die Vorräte von eingeführten Waren noch reichten, ließ die Situation sich noch ertragen, wenngleich die Kaufleute die Preise von vornherein nicht unerheblich steigerten, und in der Folge auf dem einmal eingeschlagenen Wege rüstig vorwärts schritten, bis die ersten empörten Notschreie über „die Marodeure hinter der Front“ laut wurden und nun nicht mehr verstummten, wenngleich sie mehrmals die Adresse, an die sie gerichtet wurden, wechseln mußten.

Das Elend ging erst an, als die alten Warenbestände zum Teil aufgebraucht, zum Teil aber von Spekulanten aufgekauft waren, die sie zurückhielten und dann allmählich mit phantastischem Nutzen auf den ausgehungerten Markt warfen, der alles zu jedem Preise gierig aufnahm. Der Krieg brachte es mit sich, daß ganze Warenkategorien vom Markte verschwanden; während jedoch in anderen Ländern die eigene Produktion das weitaus meiste, wenn nicht ganz, so doch wenigstens zum Teil ersetzen konnte, geschah dieses in Rußland nur im allerbescheidensten Maßstabe. Die glorreiche russische Industrie, die bei Beginn des Krieges den Mund so ungeheuer voll genommen und, mit Verlaub,

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)