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Ich möchte an dieser Stelle bemerken, daß die Kriegserklärung überraschend kam. Am späten Abend des 28. Juli 1914 hoffte man in der deutschen Botschaft in Petersburg noch, daß die aufs äußerste gediehene Spannung nachlassen würde. Ein solcher Bescheid wurde mir kurz vor 12 Uhr nachts des genannten Tages. Um 3 Uhr morgens des 29. Juli überreichte Graf Pourtalès dem Minister des Auswärtigen Sasonow die Kriegserklärung, die Würfel waren gefallen!

Schon vorher hatten nicht wenige vorsichtige, oder weitschauende, namentlich wehrpflichtige Deutsche Rußland verlassen, und es gelang zahlreichen anderen, nach bereits erfolgter Kriegserklärung die Grenze zu gewinnen. Man mußte nur die Schlupflöcher kennen, oder aber den bekannten Esel Philipps von Mazedonien vorführen, der in Rußland Festungen, Geheimarchive, Boudoirs, Grenzen und die Herzen von Ministern öffnet.

Kurzum, es gelang vielen, oft unter abenteuerlichsten Umständen, über die Grenze zu schlüpfen, aber Tausende und aber Tausende mußten zurückbleiben. Ihren traurigen Schicksalen sind diese flüchtigen Zeilen gewidmet.

Man fahndete also zunächst nach den so furchtbar gefährlichen Berichterstattern reichsdeutscher und österreichischer Blätter, weil diese mit den Botschaften der feindlichen Mächte in Beziehungen gestanden und überhaupt verdächtig erscheinen mußten, stand doch jeder russische Journalist unter der väterlichen Aufsicht der zarischen Geheimpolizei, — um wieviel gefährlicher mußten also die unheimlichen Gesellen sein, die Nachrichten an das Ausland vermittelten! Also fort mit ihnen, seien sie nun Reichsdeutsche, Österreicher oder russische Untertanen.

Die Gendarmerie stellte bei ihnen nächtlicherweile Haussuchungen an und verhaftete sie auch dann, wenn nichts Gravierendes vorgefunden wurde. So geschah es auch mit einem lieben Kollegen, mit dem ich im Laufe vieler Jahre

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)