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Möbelbezüge wurden zerschnitten oder unflätig verunreinigt, man hing sich an die Kronleuchter und brach sie in Stücke, man riß die Wandverkleidungen ab und zerschnitt kostbare Gemälde.

Man arbeitete mit verbissener Inbrunst. Da drehten einige Bengel Türgriffe ab; ein Offizier stieß seinen Säbel immer wieder in Polstermöbel und schlitzte sie mit sadistischer Wollust auf. Eine Studentin schrammte mit ihrer Hutnadel über Gemälde. Schwere Kandelaber sausten in Spiegel und Vitrinen, große Tintenflaschen flogen an die Plafonds.

Man war eben dabei, in einem der Säle einen Scheiterhaufen anzuzünden, als es plötzlich hieß, daß die Kosaken im Anzuge seien, und nun stürzte alles in wilder Flucht zu den Ausgängen, wobei man einige Teilnehmer am Pogrom verschiedene Kleinigkeiten einstecken sah. Natürlich konnten nicht alle das Gebäude verlassen, denn viele hunderte Menschen hatten sich in den weitläufigen Räumen verteilt und sie hörten nicht den warnenden Ruf: „die Kosaken!“

Als ich wieder auf den Platz hinaustrat, nahte ein Zug Kosaken und Gendarmen im Schritt. Ein Offizier meldete sich beim Stadthauptmann, der ihm irgendeine Weisung gab; die Leute hielten noch längere Zeit auf dem Platze und schauten dem flackernden Scheiterhaufen, der allmählich niederbrannte, zu. Die Gruppe der Autoritäten unterhielt sich noch immer sehr angeregt, aber schließlich schien die Sache Exzellenz Obolenski doch langweilig zu werden, denn er winkte einen der Polizeiobersten heran, dieser ließ die Gendarmen absitzen; die bewaffnete Macht begab sich ins Gebäude; gleichzeitig forderten die Kosaken das Publikum in ungewöhnlich konzilianter Weise auf, nach Hause zu gehen, da doch „wirklich nichts zu sehen“ sei.

Endlich erschien das Gendarmenkommando, das etwa hundertfünfzig Menschen vor sich hertrieb. Die Autoritäten waren verschwunden. Die „Verhafteten“ wurden in Reihe und Glied aufgestellt, es ertönte das Kommando: „marsch“

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)